Mit bewusster Endgerätenutzung das Klima schützen
Dr. Franziska Stelzer ist Senior Researcher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. Im Rahmen des Projekts „Lifestyle@pro-Klima“ entwickelte sie Methoden für den klimafreundlichen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Schulen. Im Interview erklärt sie, warum das von der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) geförderte Projekt nach wie vor relevant ist.
Digitale Technologien werden oft als hilfreich für die Energiewende angesehen. Aber bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung der Geräte werden auch Ressourcen verbraucht und Emissionen verursacht, die sich negativ auf die Umwelt auswirken. Doch eine klimafreundlichere Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ist möglich.
NKI: Hallo Frau Stelzer, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Eine ganz grundsätzliche Frage vorab: Für viele Jugendliche und Kinder ist das Smartphone ein ständiger Begleiter im Alltag. Sind sich die jungen Menschen der Klimaauswirkungen dieser Geräte überhaupt bewusst?
Franziska Stelzer: Nein, der Zusammenhang ist ihnen meist nicht bewusst. Gleichzeitig fehlt es aber auch an Hinweisen und Tipps, wie IKT-Geräte ressourcen- und energiesparend genutzt werden können. Es ist wichtig, Jugendliche bei der energieeffizienten und ressourcenschonenden Nutzung von Smartphones zu unterstützen und einen klimabewussten Umgang mit IKT-Geräten zu fördern.
Wie kann dieses Bewusstsein bei jungen Menschen geschaffen werden?
Bildungsaktivitäten in Schulen können dazu beitragen, ein Umdenken anzuregen und nachhaltige Gewohnheiten zu entwickeln. Das Modellprojekt „Lifestyle@pro-Klima“ setzte genau hier an.
Das Projekt lief mit Förderung durch die NKI von März 2019 bis Februar 2022. Welche Maßnahmen wurden konkret umgesetzt?
Wir haben innovative Wege gefunden, die Klimaproblematik im Zusammenhang mit IKT-Geräten darzustellen und zu kommunizieren. Schülerinnen und Schüler beteiligten sich im Rahmen von Aktionswochen an der Entwicklung von Bildungsmaterialien. Außerdem wurde ein Online-Klimarechner namens „COyou-Check" entwickelt. Mit ihm können Nutzerinnen und Nutzer die Auswirkungen ihres IKT-Verhaltens auf das Klima messen und bekommen Anreize, klimafreundlicher zu handeln.
Wie sahen die Aktionswochen in den Schulen aus?
Dort haben wir verschiedene Formate durchgeführt, um die Nutzung von IKT-Geräten zu verbessern. Dazu gehörten Workshops und Ausstellungen zur Informationsvermittlung, Challenges, wie zum Beispiel ein Kurzgeschichtenwettbewerb, sowie die Erstellung interaktiver Medien, also einer Website oder eines Podcasts. Darüber hinaus gab es verschiedene Veranstaltungen und Aktionen, wie eine Tombola, Vorträge und Diskussionen und es wurden 550 Mobiltelefone gesammelt und recycelt.
Wie viele Jugendliche wurden dadurch erreicht?
An dem Projekt haben knapp 30 Schulen, über 3.600 Schülerinnen und Schüler und circa 150 Lehrkräfte teilgenommen.
Konnten neben der Hauptzielgruppe Jugendliche auch andere Zielgruppen erreicht werden?
Ja, die Bildungsmaterialien und der COyou-Check sind auch für Erwachsene interessant! Der Fokus des Projekts liegt auf dem Bildungsbereich, es richtet sich also auch an Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und andere Personen, die in diesem Bereich arbeiten.
Welche Bilanz würden Sie jetzt, ein Jahr nach dem Ende des Förderzeitraums, ziehen?
Ziel von „Lifestyle@pro-Klima“ war es, einen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das wurde erreicht. Wir schätzen, dass durch die Maßnahmen in den zwei Jahren rund 167 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden konnten, was mehr ist, als wir zu Beginn des Projekts erwartet hatten.
Ein tolles Ergebnis! Wurden neben den Emissionseinsparungen noch weitere Ziele erreicht?
Zusätzlich wurde ein großes Netzwerk von Unterstützenden aufgebaut. Das wurde vor allem bei der Abschlusskonferenz deutlich, die im Rahmen der Fachtagung „Transformatives Lernen für eine nachhaltige Zukunft - Klimawandel und Klimagerechtigkeit im Bildungskontext" stattfand. Über 100 Personen aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nahmen daran teil.
Werden die Ergebnisse auch nach dem Projekt weiter genutzt?
Ja, die Projektergebnisse sind auch nach Projektende auf der Projektwebsite öffentlich zugänglich und können von Bildungsakteurinnen und -akteuren genutzt werden. Auf 40 relevanten Plattformen haben wir darüber hinaus eine Onlinebroschüre veröffentlicht. Die Projektergebnisse wurden auch im Rahmen eines Bildungsprogramms der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) vorgestellt.
Wie nutzen die Projektpartnerinnen und -partner die Projektergebnisse?
Sie integrieren die Ergebnisse in ihre Arbeit und verbreiten sie über ihre Kommunikationskanäle. Interessierte Organisationen und Einzelpersonen erhalten zudem kostenlose Informationen und Zugang zu den Projektergebnissen. Auch Lehrkräfte an Schulen und außerschulischen Einrichtungen werden auf unterschiedlichen Wegen erreicht und mit passenden Informationen versorgt.
Ein Kernstück des Projekts ist der COyou-Check, ein öffentlich zugänglicher Rechner, mit dem man die eigenen CO2-Emissionen durch die Nutzung von IKT berechnen kann. Was zeichnet ihn aus?
Mit dem COyou-Check können Nutzerinnen und Nutzer herausfinden, wie viel Energie sie durch ihre Handy- und Computernutzung verbrauchen und wo sie im Vergleich zu ihrer Altersgruppe stehen. Der Check zeigt auch, wie viele Bäume nötig sind, um die Umweltauswirkungen der Nutzung auszugleichen. Die Jugendlichen erhalten praktische Tipps, wie sie ihren Energie- und Ressourcenverbrauch senken können, um weniger Treibhausgase zu produzieren. Ziel ist es, dass die Nutzenden ihr Verhalten ändern und so zum Klima- und Umweltschutz beitragen.
Wie ging es nach dem Projekt weiter? Welche Strukturen wurden etabliert?
Es gibt regelmäßige Treffen und Veranstaltungen des Netzwerks der Deutschen Gesellschaft Club of Rome (DGCOR). Dort können Schulen ihre Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt teilen und sich untereinander austauschen. Dadurch motivieren sie andere Bildungseinrichtungen, die Bildungsmaterialien zu nutzen oder eigene Aktionen zu planen. So werden die Projektergebnisse bundesweit verbreitet und neue Ideen entstehen.
Unter Green IT versteht man den ressourceneffizienten Einsatz digitaler Produkte und Dienstleistungen. Dabei stehen zwei Arten von Lösungen im Vordergrund: Zum einen IKT-Produkte, deren Herstellung, Betrieb und Entsorgung möglichst wenig Energie und Ressourcen verbrauchen, zum anderen digitale Lösungen, die in allen Branchen und Lebensbereichen eingesetzt werden können, um den Ressourcenbedarf zu reduzieren. Durch den Einsatz von Green IT können Unternehmen und Organisationen dazu beitragen, die Umweltauswirkungen der Digitalisierung zu minimieren und gleichzeitig ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.
Das Projekt hat also keineswegs an Relevanz eingebüßt.
Im Gegenteil! Es ist wichtig, dass wir alle unser Konsum- und Nutzungsverhalten hinterfragen und andere dazu inspirieren, dasselbe zu tun. Besonders in der Bildungsarbeit mit Schulen werden die Ergebnisse aus dem Projekt weiterhin genutzt, da das Thema für Jugendliche hochaktuell und relevant ist. Die umfangreichen Bildungsmaterialien und der COyou-Check bieten gute Ansätze, um den Einfluss unserer IKT-Nutzung auf das Klima besser zu verstehen und zu berücksichtigen. Sie zeigen auch, wie wir klimafreundliche Handlungsoptionen im Alltag umsetzen können, um effektiv Einfluss zu nehmen.
Was ist für die Zukunft des Projekts geplant? Gibt es bereits konkrete Pläne?
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie möchte die Erkenntnisse aus dem Projekt nutzen, um Bildungsakteurinnen und -akteure besser zu beraten und zukünftige Forschungsprojekte entwickeln zu können. Langfristiges Ziel ist es, die Erkenntnisse aus dem Projekt zu vertiefen und das erarbeitete Wissen zu verbreiten. Konkrete Pläne für direkte Anschlussprojekte gibt es aber noch nicht.
Wo sehen Sie – über das Projekt hinaus – weitere Hebel, um IKT klimafreundlicher zu machen?
Um IKT klimafreundlicher zu machen, müssen wir weltweit umfassende Veränderungen vornehmen. Das betrifft sowohl die Rohstoffgewinnung, das Design und die Produktion von Geräten als auch den Verkauf und die Reparatur. Auch unser Konsumverhalten muss sich ändern! Der Energieverbrauch von IKT-Geräten ist im Vergleich zu anderen Lebensbereichen, wie zum Beispiel unserer Ernährung, relativ gering. Mit der zunehmenden Digitalisierung und der steigenden Anzahl von Geräten wird es jedoch immer wichtiger, auch die Auswirkungen der Infrastruktur für Online-Dienste sowie den Transport- und Herstellungsaufwand zu berücksichtigen und ein Umdenken anzuregen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Pressekontakt
Dr. Franziska Stelzer
Senior Researcher
Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren
Forschungsbereich Innovationslabore
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH
Döppersberg 19
42103 Wuppertal
E-Mail: franziska.stelzer@wupperinst.org