Städtebauliche Verträge als Instrument für strategischen Klimaschutz
Städtebauliche Verträge können helfen, Klimaschutz strategisch in der Stadtplanung zu verankern. Eine Ausarbeitung der Agentur für kommunalen Klimaschutz und des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) liefert Musterformulierungen und Beispiele für die Umsetzung vor Ort.
Was sind städtebauliche Verträge?
Kommunen können nach § 11 Baugesetzbuch (BauGB) sogenannte „städtebauliche Verträge“ mit Dritten wie privaten Investorinnen und Investoren abschließen, um städtebauliche Aufgaben zu erfüllen. Dieses Instrument dient dazu, die praktische Durchführung von städtebaulichen Vorhaben und privaten Investitionsvorhaben zu begleiten. Sie sind in der Regel eine Ergänzung zu Festsetzungen in Bebauungsplänen und dem Instrument der Bauleitplanung.
Welche Chancen bieten städtebauliche Verträge für den Klimaschutz?
Städtebauliche Verträge ermöglichen es, verbindliche Vereinbarungen zwischen Gemeinde und Investorinnen oder Investoren zu treffen. Aufgrund des kooperativen Ansatzes sind sie zumeist weniger streitanfällig. Im Hinblick auf die Ziele des Klimaschutzes können so Vereinbarungen getroffen werden, die zu einer Minderung der Treibhausgasemissionen eines bestimmten städtebaulichen Vorhabens beitragen. Die vertraglich vereinbarten Pflichten müssen einen städtebaulichen Bezug zu den Zielen des jeweiligen Baugebiets aufweisen. Die Ziele städtebaulicher Planungen können sich dabei auch aus einem kommunalen Klimaschutz- oder Energiekonzept ergeben.
Welche Klimaschutzvereinbarungen können getroffen werden?
Das BauGB (§ 11 Abs. 1 S. 2) nennt in der Aufzählung beispielhaft zwei Vertragsgegenstände mit Bezug zum Klimaschutz:
- nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BauGB kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags „die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung“ sein,
- nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zudem „die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden“.
Beispiele für Vereinbarungen, die mithilfe des Vertrags getroffen werden können:
- Nutzung von Energieversorgungssystemen wie Fernwärme, Solaranlagen- oder Photovoltaik-Pflicht (PV-Pflicht) auf (bestimmten) Dachflächen
- Erarbeitung eines quartiersbezogenen Energie- und Klimaschutzkonzepts
- Energetische Gebäudestandards wie Passivhausstandard
- Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen im Rahmen der Eingriffs- oder Ausgleichsregelung; dazu zählt die Begrünung mit Vorgabe bestimmter Arten
- Verwendung oder Nicht-Verwendung bestimmter Baustoffe- und materialien wie Holz oder Recycling-Beton
- Mobilitätsbezogene Maßnahmen wie Ladeinfrastruktur und Mobilitätskonzepte
Was ist zu beachten?
Rechtsvorschriften dürfen dem Vertrag nicht entgegenstehen (Vorrang des Gesetzes). Auch darf sich die Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber privaten Investorinnen und Investoren nicht dazu verpflichten, einen Bebauungsplan aufzustellen (vgl. § 1 Abs. 3 S. 3 BauGB).
Städtebauliche Verträge müssen darüber hinaus den Umständen nach angemessen sein: Die Vereinbarungen müssen bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs in angemes-senem Verhältnis zum Wert des Vorhabens stehen und die vertragliche Übernahme von Kli-maschutzmaßnahmen darf keine unzumutbare Belastung bedeuten.
Darüber hinaus dürfen die klimaschutzbezogenen Vereinbarungen nicht gegen das Koppelungsverbot verstoßen: Die Vereinbarung von klimaschutzbezogenen Maßnahmen muss in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem baulichen Vorhaben stehen. Ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang könnte beispielsweise fehlen, wenn die Verpflichtung zur Errich-tung von PV-Anlagen auf Dachflächen nicht das Gebäude selbst betrifft, sondern an einer anderen Stelle umgesetzt werden soll.
Städtebauliche Verträge bedürfen der Schriftform. Wenn gleichzeitig einer oder beide Vertragsparteien zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken verpflichtet werden, bedarf der Vertrag insgesamt der notariellen Beurkundung. Bei Erreichen der vergaberechtlichen Schwellenwerte ist außerdem unter Umständen das Vergaberecht zu beachten.
Muster-Formulierungen: Vorlagen für „Umwelt-Paragraphen“ in städtebaulichen Verträgen
Was kann mit städtebaulichen Verträgen konkret für den Klimaschutz geregelt werden? Wie könnten entsprechende Formulierungen ausgestaltet werden?
In speziellen Umwelt-Paragraphen des städtebaulichen Vertrags, bezeichnet zum Beispiel als „§ x Umweltbelange“ oder „§ x Maßnahmen zur Energieeinsparung“, können unter anderem zu folgenden Themen Vereinbarungen getroffen werden:
- Photovoltaik-Pflicht, Solaranlagen-Pflicht,
- energetischer Gebäudestandard,
- Energieversorgung,
- Ausgleichsmaßnahmen, Begrünung,
- Mobilitätsmaßnahmen und
- optional Vertragsstrafen.
Textpassagen mit formal korrekten Formulierungen finden Sie hier. Sie stammen aus realen städtebaulichen Verträgen und wurden anonymisiert.
Muster-Formulierungen für Beschlüsse und Beschlussvorlagen mit Vorgaben für städtebauliche Verträge
Bereits in Beschlussvorlagen und Beschlüssen der Kommunen können Festlegungen getroffen werden, wie städtebauliche Verträge und Klimaschutzbelange darin ausgestaltet oder geregelt werden sollen. Hier finden Sie beispielhafte Textbausteine.
Fallbeispiele
Passivhaus-Quartier Bahnstadt in Heidelberg
Im Bahnstadt-Projekt der Stadt Heidelberg entsteht ein neues Stadtviertel, dass die Machbarkeit hochenergieeffizienten Bauens und einer nachhaltigen Energieversorgung zeigen soll. Dafür wurde zwischen der Stadt Heidelberg und der Entwicklungsgesellschaft ein städtebaulicher Vertrag geschlossen.
Freiburger Neubaustandards
Die Stadt Freiburg hat für Wohngebäude und Nicht-Wohngebäude den Effizienzhaus-Standard 55 beziehungsweise 70 festgelegt. Beim Verkauf städtischer Grundstücke wird dieser Energiestandard in städtebaulichen Verträgen verbindlich und überprüfbar vereinbart.
Kronsberg – Planung und Realisierung in Hannover
Für den Stadtteil Kronsberg hat die Stadt Hannover einen städtebaulichen Vertrag vereinbart, in dem folgende Themen berücksichtigt wurden: Energie, Wasser, Abfall, Boden, Naturschutz.
Weitere Steuerungsinstrumente für mehr Klimaschutz
In Zukunft werden von der Agentur in Zusammenarbeit mit dem ifeu weitere strategische Instrumente für mehr Klimaschutz inklusive Musterformulierungen, Anleitungen und Praxisbeispiele ausgearbeitet. Diese Materialien werden in Zukunft gesammelt in einem Instrumentenkasten auf klimaschutz.de zu finden sein.