Klimaschutz-Planer
Die Gestaltung der Energiewende in Kommunen: Entwicklung eines standardisierten Instrumentensatzes zu Bilanzierung, Potentialermittlung und Szenarienentwicklung
Projektnehmer
Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder / Alianza del Clima e.V.
ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH und IdE Institut dezentrale Energietechnologien gGmbH
Projektlaufzeit
01.05.2012 bis
30.04.2016
Projektkontakt
Fördersumme
1.890.627 Euro
Förderkennzeichen
03KSE026A/B/C
Förderprogramm
Richtig bilanziert ist halb gespart
Wie gut steht die eigene Kommune beim Einsparen von CO2 gegenüber anderen Städten, Gemeinden und Landkreisen wirklich da?
Auf einen Blick
Im Rahmen des Projektes Klimaschutz-Planer entwickelte das Projektteam eine internetbasierte Software, die es Kommunen ermöglichen sollte, ihre Energie- und Treibhausgas-Bilanzen verlässlich zu ermitteln und zu vergleichen. Das Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder / Alianza del Clima e.V. (Klima-Bündnis), das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu) und das Institut dezentrale Energietechnologien (IdE) arbeiteten dazu mit einer Reihe von deutschen Kommunen zusammen. Gemeinsam entwickelten sie ein einheitliches Methodenset zur Erfassung von Endenergieverbräuchen und Treibhausgasemissionen, die Bilanzierungs-Systematik für Kommunen, kurz BISKO. Basierend auf dieser Systematik entstand der softwaregestützte Planungsassistent. Das Projektteam stellte ihn online zur Verfügung und ermöglichte so den Kommunen die einheitliche Bilanzierung. Weiteres Ziel des Projektteams war es, durch die Entwicklung und bundesweite Verbreitung einer einheitlichen Systematik auch die Erfassung kommunaler Klimaschutzbeiträge für die Aggregierung auf Länder- und Bundesebene zu vereinfachen.
Eine lang gesuchte Vergleichsgrundlage
Wie bilanziert man Treibhausgase richtig? Welche Maßnahmen lassen sich daraus ableiten? Was lohnt sich auch wirtschaftlich für die Kommune? Wo liegen unausgeschöpfte Potenziale? Über diese Fragen debattierten die Kommunen in der Vergangenheit lange, teils auch sehr kontrovers. Das Fehlen eines einheitlichen Standards auf kommunaler Ebene erschwerte darüber hinaus die Erfassung und den Vergleich der tatsächlich erreichten CO2-Einsparergebnisse auf Bundes- und Landesebene. Ohne eine bundesweit einheitliche Methode zur Erfassung der CO2-Daten in Kommunen kann das Ziel der Bundesregierung, bis 2050 80 Prozent der Treibhausgase zu reduzieren, nicht aussagekräftig überprüft werden.
Ziel des onlinebasierten Klimaschutz-Planers war es, hier Abhilfe zu schaffen. Das Instrument sollte regionale Energieagenturen, Dienstleisterinnen und Dienstleister sowie Verwaltungen in ihrer Klimaschutzarbeit unterstützen: Es sollte mithilfe des Bilanzierungsmoduls den großen Aufwand reduzieren, der mit der erstmaligen Erstellung einer Klimaschutzbilanz verbunden ist, und über das Benchmark-Modul Ergebnisse liefern, mit denen Kommunen ihre im Rahmen der Klima-Bündnis-Mitgliedschaft eingegangene Selbstverpflichtung zur Reduzierung der C02-Emissionen überprüfen und bewerten können. Im Rahmen der Module für die Potenzialermittlung und Szenariendarstellung sollten Nutzerinnen und Nutzer Hilfe bei der konkreten Maßnahmenentwicklung erhalten.
„Ein klarer Kurs für den Klimaschutz braucht immer eine gute Navigation. Kommunen bietet der Klimaschutz-Planer diese klare Navigation, damit wir die Klimaschutzziele 2050 erreichen.“
Gerrit Müller-Rüster, Treurat und Partner Unternehmensberatungsgesellschaft mbH
BISKO – die einheitliche Systematik
In einem eineinhalbjährigen Konsultationsprozess entwickelte das ifeu mit Unterstützung vom Klima-Bündnis zuerst eine neue, einheitliche Systematik zur Bilanzierung der CO2-Emissionen in Kommunen (BISKO) und verfeinerte diese im Rahmen von Workshops und bilateralen Gesprächen. An der Entwicklung beteiligten sich unter anderem auch Masterplan-Kommunen. Diese wollen bis 2050 ihre Emissionen um 95 Prozent senken und werden dafür im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) zusätzlich gefördert.
Während des Entwicklungsprozesses wurde sehr schnell deutlich, dass Kommunen, Institutionen und Praktikerinnen sowie Praktiker verschiedene Ziele beim Einsatz einer kommunalen Energie- und Treibhausgasbilanz verfolgten. Sie alle beantworteten Fragen wie zum Beispiel welche Rolle erneuerbare Energien spielen oder von welchem Strommix ausgegangen wird unterschiedlich. Um eine einheitliche Perspektive zu erzielen, einigten sich die beteiligten Akteurinnen und Akteure unter Leitung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ifeu auf ein Verfahren, das auf nur sechs kommunenspezifischen Daten beruht und durch besonders gekennzeichnete Teilaspekte ergänzt werden kann.
Gesucht war ein Hilfsmittel für die Erstellung von lokalen Klimaschutzkonzepten und die Ableitung von geeigneten CO2-Einsparmaßnahmen. Aus den Beratungen resultierte das BISKO-Methodenpapier, das folgenden Prinzipien folgt:
- Betrachtungsmaßstab ist eine endenergiebasierte Territorialbilanz, also die aggregierten Endenergieverbräuche, die im politischen Handlungsfeld der jeweiligen Gesamtkommune anfallen.
- BISKO ordnet sie den verschiedenen Verbrauchssektoren zu und berechnet über spezifische Emissionsfaktoren (überwiegend aus der GEMIS-Datenbank) die Treibhausgasemissionen.
- Jeder eingegebene Wert erhält eine Beschreibung seiner Datengüte. Handelt es sich um Primärdaten, Hochrechnungen, regionales oder bundesweites Statistikmaterial? Anhand dieser Herkunftsangaben kann das System die Genauigkeit und Aussagekraft der Gesamtbilanz ermitteln.
Auf der Grundlage dieser einheitlichen Bilanzierungs-Systematik für Kommunen (BISKO) programmierte dann ein externer Dienstleister das webbasierte Software-Tool Klimaschutz-Planer mit den zwei Ausgangs-Modulen Bilanzierung und Benchmark.
Benchmark – das Vergleichsinstrument
Für die Entwicklung des Benchmark-Moduls im Klimaschutz-Planer zeichnete sich das Klima-Bündnis verantwortlich. Es entwickelte hier eine vorhandene Version weiter, die durch das Umweltbundesamt unterstützt worden war. Im Benchmark-Modul kann jede Kommune entlang der fünf Handlungsfelder Klimapolitik, Energie, Verkehr, Abfallwirtschaft und Klimagerechtigkeit ihre eigenen Maßnahmen mit anderen Kommunen vergleichen und so abschätzen, wie umfassend sie ihre Aktivitäten in den einzelnen Energieverbrauchsbereichen gestaltet.
Das Ergebnis aus dem Bilanzierungsmodul ist die Grundlage des Vergleichs. Aber auch qualitative Ziele wie etwa die Öffentlichkeitsarbeit, der politische Wille oder die Einbeziehung von lokalen Akteurinnen und Akteuren finden Eingang in die Bewertung. Im Aktivitätsprofil werden die eigenen Handlungen mit Hilfe eines Spinnennetzdiagramms ins Verhältnis zum Möglichen (Benchmark) gesetzt. Insgesamt entsteht damit eine vielschichtige und aussagekräftige Datengrundlage für die Interpretation der Klima-Transformationsarbeit vor Ort.
Die praxisnahe Programmierung
Der Klimaschutz-Planer mit der BISKO-Systematik als Herzstück sollte den Praxisanforderungen der späteren Nutzerinnen und Nutzer möglichst weit entgegenkommen. Deshalb entschieden sich die Projektverantwortlichen bei der Programmierung der Open-Source-Software für ein sogenanntes agiles Vorgehen. Schritt für Schritt entstand in regelmäßigen Abstimmungen jeweils ein Teilabschnitt, den Verantwortliche aus zwölf Testkommunen durch Anregungen und Erfahrungsberichte begleiteten. Dies ermöglichte eine Verfeinerung gegenüber der ursprünglichen Planung. Beispielsweise unterschied sich die Datenverfügbarkeit vor Ort so sehr, dass es nötig war, dafür zusätzliche Eingabeoptionen zu programmieren. In der Schlussrunde überprüften Testnutzerinnen und ‑nutzer aus weiteren Kommunen noch einmal Aufbau, Verständlichkeit und Nutzbarkeit des Planungsassistenten.
Die Einführungsphase
Bei der 15. Kommunalen Klimaschutz-Konferenz des Klima-Bündnisses am 2. November 2015 in Bonn begann die Einführungsphase des Klimaschutz-Planers mit einem Auftakttreffen. Nach einer intensiven Schulungsphase zur Nutzung der Software erprobten etwa 60 Kommunen ihre Anwendung und gaben weitere Verbesserungshinweise. Auf dem 100 Prozent-EE-Kongress im November 2015 stellte das Projektteam das Instrument einer breiteren Öffentlichkeit vor. Präsentationen auf weiteren Veranstaltungen wie etwa der EnviroInfo 2016 folgten.
Die veröffentlichte Version des Planers enthielt zunächst die Module Bilanzierung und Benchmark. Mit ihrer Hilfe konnten Kommunen ihre Treibhausgas-emissionen bilanzieren und einen Eindruck gewinnen, wie sie im Vergleich zu anderen Kommunen dastanden.
Potenziale und Szenarien
Die Module Potenzialermittlung und Szenariendarstellung inklusive einer Maßnahmenmatrix lagen zur Zeit der Erstveröffentlichung dagegen nur als programmierte Prototypen vor, die Ausweisung der Wertschöpfungsmöglichkeiten war auf Excelbasis skizziert. Diese Module wurden während der Projektlaufzeit nicht bis zur vollständigen Anwendungsreife gebracht und daher nicht veröffentlicht. Durch die stetige Weiterentwicklung und Anwendung des Klimaschutz-Planers plant das Klima-Bündnis Interessierten zum nächstmöglichen Zeitpunkt auch diese Module anzubieten. Dann können Kommunen beispielsweise das maximale Einsparpotenzial berechnen und drei verschiedene Szenarien auf Basis von Grunddaten und variablen Parametern modellieren.
-
Was sollte das Projekt erreichen?
- Harmonisierung und Standardisierung von Methoden zur Bilanzierung und Entwicklung von kommunalen Klimaschutzmaßnahmen;
- darauf aufbauend Bereitstellung eines onlinebasierten Softwaretools zur einheitlichen Anwendung in Kommunen und Landkreisen in Deutschland;
- Schulung von Nutzerinnen und Nutzern und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren;
- Öffentlichkeitsarbeit zur Verbreitung;
- Nutzung des Tools von Kommunen und Landkreisen dazu, ihre Treibhausgasemissionen einheitlich zu berechnen und mit anderen zu vergleichen, Klimaschutzkonzepte und Szenarien zu entwickeln und umzusetzen.
-
Was hat das Projekt erreicht?
- Entwicklung des Klimaschutz-Planers, der es Kommunen und Landkreisen ermöglicht, ihre Treibhausgaseinsparungen durch Klimaschutzmaßnahmen zu berechnen und zu vergleichen;
- Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und Vorstellung des Tools auf Konferenzen und anderen Veranstaltungen;
- Nutzung des Klimaschutz-Planers zu Projektbeginn von 60 Kommunen und Landkreisen (408 teilnehmende Kommunen Ende 2018).
-
Wie ging es weiter?
Der Klimaschutz-Planer kann über einen Demo-Zugang online unter www.klimaschutz-planer.de von Kommunen und Landkreisen getestet werden. Die langfristige Nutzung ist kostenpflichtig, aber für Mitglieder des Klima-Bündnisses verringert sich die Nutzungsgebühr. Die Systematik der Bilanzierungsmethode BISKO kann auf der Webseite des ifeu als PDF heruntergeladen werden.
Beitrag zum Klimaschutz
Der Klimaschutz-Planer in seiner derzeitigen Form hilft dabei, Treibhausgase auf Landes- und Bundesebene einheitlich zu erfassen. Nach Veröffentlichung der zusätzlichen Module kann er Kommunen nicht nur bei der Treibhausgasbilanzierung, sondern auch bei der Erstellung eines kommunalen Klimaschutz-Konzeptes unterstützen und somit langfristig die Umsetzung CO2-sparender Maßnahmen voranbringen.
-
Checkliste der Erfolgsfaktoren
- Über Demo-Zugang mit der Software vertraut machen;
- eigene Maßnahmen über den Vergleich mit anderen optimieren;
- bei unvollständiger Datenlage auf Standardwerte zurückgreifen.
Tipps und Tricks für interessierte Institutionen
Interessierte Kommunen sollten den Klimaschutz-Planer für die Bewertung ihrer Klimaschutzaktivitäten nutzen.
Zentraler Anlaufpunkt: die Webseite
Der Einstieg in den Klimaschutz-Planer erfolgt über die Webseite, die auch über die Teilnahmekosten informiert. Interessierte können einen kostenlosen Demo-Zugang beantragen und so den Funktionsumfang der Software kennenlernen. Sie erhalten hier auch die Möglichkeit, die zugehörige Kurzanleitung herunterzuladen. Die Webseite weist außerdem auf qualifizierte Fachberatungen und Weiterbildungsangebote zur Nutzung des Klimaschutz-Planers hin. Wer die Webseite besucht, erhält auf einer öffentlichen Landkarte auch eine Übersicht, welche Kommunen bereits den Planer zur kommunalen Treibhausgasbilanzierung in Deutschland verwenden.
Die Anwendungsvorteile
Ein Flyer bringt die vielen Anwendungsvorteile des Klimaschutz-Planers auf den Punkt:
- Eine gezielte Nutzerführung erleichtert den Umgang mit der Bilanzierungssystematik BISKO;
- ein fünfzehnteiliges Indikatorenset mit ausgewählten kommunalen Kennziffern ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung und Vergleichbarkeit der Klimaschutzbemühungen;
- die Weiterentwicklung der Software im Dialog mit Nutzerinnen und Nutzern garantiert Aktualität;
- ein flexibles Datenmanagement über Schnelleingaben und Schnittstellen (beispielsweise zum Konvent der Bürgermeister) unterstützt bei der Bedienung der Software;
- die Ergebnisse können in einem übersichtlichen Berichtsformat ausgegeben werden.
Ganz besonders wichtig: viele Vorgabedaten und Eingabeoptionen
Zusätzlich zu den genannten Vorteilen geht der Klimaschutz-Planer auf eine der klassischen Herausforderungen bei der Erstellung der eigenen Treibhausgasbilanz ein. Die Datenbeschaffung ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch kostenintensiv. Deshalb stellt der Planungsassistent umfangreiche statistische Werte, Faktoren und Kennzahlen bereit. Der Planer berücksichtigt die unterschiedliche Datenverfügbarkeit in Kommunen durch ein Optionen-Modell für die Dateneingabe. Ob vom Schornsteinfeger, dem Netzbetreiber oder aus einer Statistik – die Software verarbeitet optional verschiedenste Daten. Das Datengütemodell versieht sie mit einer eindeutigen Kennziffer und stellt so Vergleichbarkeit her. Kommunen sollten daher auch bei unvollständiger Datenlage das Tool nutzen.
pdf | 702.45 KB