Europas größter Lastenradtest
In dem Projekt „Ich entlaste Städte“ des DLR-Instituts für Verkehrsforschung haben etwa 750 Organisationen drei Monate lang Lastenfahrräder getestet. Die Ergebnisse zeigen: Sie haben das Potenzial, gewerbliche Fahrten zu ersetzen.
Lastenräder, auch Cargobikes genannt, können eine umweltfreundliche Alternative zum Auto oder Lieferwagen sein. Zusätzlich wirkt sich der Radverkehr positiv auf die Lebensqualität in den Städten und Gemeinden sowie die menschliche Gesundheit aus. Lastenräder erfreuen sich deshalb einer immer größeren Beliebtheit.
Welches Potenzial haben Lastenräder für die gewerbliche Nutzung? Dieser Frage sind Forschende des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) in dem Projekt „Ich entlaste Städte“ nachgegangen. Die teilnehmenden Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen erhielten für drei Monate jeweils ein Lastenrad, um es in der gewerblichen Praxis zu testen. Dabei konnten sie aus 152 Lastenrädern – mit und ohne elektrischen Antrieb – in fünf Bauformen und insgesamt 23 verschiedenen Modellen wählen. Das Bundesumweltministerium unterstützte das von Januar 2017 bis August 2020 andauernde Vorgaben über den Förderaufruf für innovative Klimaschutzprojekte der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI).
Praxistest bei rund 800 Unternehmen und Institutionen
Das Interesse und die Bandbreite der teilnehmenden Branchenvertretenden waren sehr groß. Das Projektteam hatte zunächst 450 Teilnehmer*innen angestrebt. Schließlich beteiligten sich etwa 750 Organisationen, private Unternehmen, Handwerksbetriebe und öffentliche Einrichtungen sowie Vereine an dem Vorhaben. Dr. Johannes Gruber, Projektleiter in der Abteilung Wirtschaftsverkehr des DLR, freut sich über das große Interesse am Projekt:
„Wir hatten mit 2.000 Bewerbungen mehr Anfragen, als wir letztendlich bedienen konnten. Es zeigte sich, dass es nicht die eine prädestinierte Branche für den Lastenradeinsatz gibt, sondern dass dieser für Organisationen aller Couleur und Größe infrage kommt.“
Wegen der Flotte von 152 Lastenrädern und der hohen Anzahl an Teilnehmenden aus allen Wirtschaftszweigen ist der Lastenradtest der größte bisher durchgeführte dieser Art in Europa.
Die Ergebnisse
Die teilnehmenden Unternehmen zeichneten ihre Fahrten mit der „Moving_Lab-App“, einem Tool zur Erfassung und Analyse des Mobilitätsverhaltens, auf. Bis zum Projektende wurden 30.000 Wege mit einer Gesamtstrecke von 307.000 Kilometern aufgezeichnet. Im Durchschnitt fuhren die teilnehmenden Unternehmen das Lastenrad für 412 Kilometer. Bei etwa zwei Drittel der 30.000 Fahrten ersetzte das Lastenrad tatsächlich ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Johannes Gruber:
„Mit unserem Projekt konnten wir zeigen, dass Lastenräder das Potenzial haben, gewerbliche Fahrten mit dem Auto zu ersetzen – sowohl in der Stadt als auch in kleineren Gemeinden.“
Entscheidung für ein eigenes Lastenrad
Während des Projekts nahmen die Lastenradtestenden an mehreren Befragungen teil. Dabei stellte sich heraus, dass die Hälfte der Teilnehmenden am Ende der Testphase erwog, ein eigenes Lastenrad zu kaufen. Ein Drittel der Teilnehmenden schaffte sich tatsächlich ein Lastenrad an. Somit konnte das Projekt auch zur Senkung von Treibhausgasemissionen beitragen – und tut dies über die Projektlaufzeit hinaus: Lastenradbesitzende sparen durch die Nutzung im Mittel rund 400 Kilogramm CO2 jährlich ein. Die Unternehmen begründeten ihre Entscheidung für das Lastenrad vor allem mit dem Umweltschutz, dem Einnehmen einer Vorbildrolle und dem Interesse an technologischen Innovationen. Als Argument gegen den Kauf eines Lastenrades wurden die hohen Anschaffungskosten genannt.
An dieser Stelle kann die im März 2021 in Kraft getretene E-Lastenrad-Förderrichtlinie der NKI finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung von E-Lastenfahrrädern und E-Lastenanhängern für den fahrradgebundenen Liefer- und Dienstleistungsverkehr bieten. Förderfähig sind 25 Prozent der Ausgaben für die Anschaffung, maximal jedoch von 2.500 Euro pro E-Lastenfahrrad oder Lastenanhänger mit E-Antrieb.
Hemmende und fördernde Nutzungsfaktoren
Insgesamt bewerteten rund zwei Drittel der Beteiligten die Eignung von Lastenrädern für ihre dienstlichen Zwecke als gut bis sehr gut. Gleichzeitig sahen fast 80 Prozent der Befragten noch Optimierungsbedarf an dem von ihnen getesteten Lastenradmodell – insbesondere was die Transportkiste, die Fahrzeughandhabung und den Fahrkomfort betrifft. Als weitere negative Aspekte nannten einige außerdem die eingeschränkte Nutzbarkeit bei Regen und bei mangelhaften Fahrradwegen.
Insgesamt stärker als die Hemmnisse wurden jedoch solche Faktoren bewertet, die eine Nutzung motivieren und begünstigen. Hier zeigt sich, dass Aspekte wie die Unabhängigkeit von Parkplätzen, die Wendigkeit und die Erreichbarkeit von für das Auto gesperrten Gebieten (zum Beispiel Fußgängerzonen) zu den großen Stärken des Lastenrads zählt. Darüber hinaus punktet die gewerbliche Fahrradnutzung auch bei den sogenannten weichen Faktoren wie etwa dem Firmenimage, der Mitarbeitergesundheit und dem Spaßfaktor. Zehn der insgesamt elf abgefragten Faktoren, die eine Nutzung begünstigen, behielten auch nach dem Langzeittest ihre hohe Wirkstärke – was für viele der Projektteilnehmenden Beweis genug war, die Lastenradnutzung im eigenen Betrieb dauerhaft zu verstetigen.
Ist eine Fortführung des Projekts geplant?
Aktuell ist es sehr wahrscheinlich, dass es ein Nachfolgeprojekt geben wird.
Johannes Gruber:
„Im Folgeprojekt möchten wir noch stärker auf die langfristige Flottenumgestaltung von Betrieben konzentrieren. Dazu sollen die Teilnehmenden während einer zwölfmonatigen Testphase intensiv begleitet und beraten werden.“
Konkret sollen dabei die Zielgruppen Handwerk, Dienstleistung und Handel in den Blick genommen werden. Es geht darum, gemeinsam mit Branchenvertretenden spezifische Lösungen für Lastenradaufbauten zu entwickeln. Weitere Projektziele werden der Aufbau eines professionellen Lastenrad-Servicenetzwerks und die Einbindung und Unterstützung von Kommunen als lokale Multiplikatoren sein.
Sie haben Fragen zum Projekt?
Dann wenden Sie sich per E-Mail an Dr. Johannes Gruber unter johannes.gruber@dlr.de.