Klimaschutzmanagerin Sophie Strecker: „Jedes Zehntelgrad zählt“
Sophie Strecker ist Klimaschutzmanagerin im baden-württembergischen Öhringen. Im Interview erzählt sie der Nationalen Klimaschutzinitiative von den Klimaschutzzielen für Öhringen, warum vielen Menschen das tatsächliche Ausmaß des Klimawandels noch nicht bewusst ist, und wie man das ändern kann.
Der Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – das sieht auch Öhringens Klimaschutzmanagerin Sophie Strecker so. Wenn der Klimawandel aufgehalten werden soll, müssen wir alle unser Verhalten ändern und bewusster leben. Welche Pläne Sophie Strecker hat, um dieses Bewusstsein in ihrer Stadt zu etablieren und Öhringen bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu machen, lesen Sie im Interview.
Nationale Klimaschutzinitiative: Hallo Frau Strecker, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen. Wir wollen mit einer naheliegenden Frage beginnen: Wie sind Sie dazu gekommen, Klimaschutzmanagerin zu werden?
Sophie Strecker: Ich bin eine Überzeugungstäterin und brauche einen Beruf mit Sinnfaktor. Mir ist wichtig, meinen Beitrag in dieser Welt zu leisten und ich möchte für das, was ich tue, einstehen können. Ich habe einen äußerst sinnstiftenden Beruf. Meine persönliche Motivation ist beim Thema Klimaschutz sehr hoch und ich freue mich auf die Herausforderungen dieser zukunftsgerichteten und verantwortungsvollen Aufgabe.
Was sind Ihre persönlichen Ziele in Öhringen?
Mein persönliches Ziel für die Stadt Öhringen heißt: klimaneutrales Öhringen 2035 – je früher, desto besser. Dass das Ziel nicht einfach ist und einen unglaublichen Kraftakt darstellt, stelle ich nicht in Frage. Die technologischen Möglichkeiten sind da, die politischen Konzepte auf Bundes-, Landes-, und Landkreisebene auch, und wir bringen nun sehr viel davon auf den Weg. Konkret sind wir dabei, ein Klimaschutzkonzept zu erstellen und arbeiten aus, wie wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 beziehungsweise das Landesziel Klimaneutralität bis 2040 erreichen können. Im Jahr 2023 liegt die Entscheidung zum Konzept bei unserem Gemeinderat. Dort werden final Ziele und Maßnahmen demokratisch beschlossen.
Hitzesommer, Trockenheit oder die Katastrophe im Ahrtal zeigen, dass wir einen Wandel der Gewohnheiten brauchen und aktiv werden müssen. Jede*r sollte seinen Beitrag leisten, egal wie, sei es durch mehr Radfahren, weniger Müll oder einen sparsamen Umgang mit Energie.
Klimaschutzmanagerin der Stadt Öhringen
Wie groß ist denn das Bewusstsein für den Klimaschutz in Öhringen?
In der Bevölkerung sowie im Gemeinderat sind viele Positionen vertreten und alle werden, wie es sich für eine lebendige Demokratie gehört, auch debattiert. Es gibt auch hier Menschen, die Veränderungen einfacher angehen, und andere, die sich schwerer tun. Alle gilt es schlussendlich zu überzeugen und mitzunehmen. Ich persönlich denke, dass vielen das tatsächliche Ausmaß der Klimakatastrophe noch nicht wirklich bewusst ist, man im Alltag das Problem verdrängt und die Ausmaße schlecht abschätzen kann. Viele aktuelle Probleme in der Welt , die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sind für uns im Alltag weit weg. Ich denke an Dinge wie Nahrungsmittelknappheit, Hungersnöte, Hitzewellen oder Fluten. Aber Hitzesommer, Trockenheit oder die Katastrophe im Ahrtal zeigen, dass wir einen Wandel der Gewohnheiten brauchen und aktiv werden müssen. Jede*r sollte einen Beitrag leisten, egal wie, sei es durch mehr Radfahren, weniger Müll oder einen sparsamen Umgang mit Energie.
Was unternehmen Sie konkret, um über die Folgen des Klimawandels aufzuklären?
Grundsätzlich muss man bei dieser Mammutaufgabe Synergien nutzen und diese große Herausforderung gemeinsam angehen. Wir stehen in enger Zusammenarbeit mit unserem Landkreis. Dort gibt es das neue „Klima-Zentrum Hohenlohekreis“. Zusammen bringen wir Projekte wie zum Beispiel eine kostenlose Energieberatung bei uns im Rathaus auf den Weg. In Zeiten der Energiekrise setzten wir bei der Stadt Öhringen stark auf Information, Aufklärung, Sensibilisierung und Bildung. Wir haben über alle unsere Medienkanäle umfassend informiert, Fachvorträge initiiert, die Mitarbeiter*innen der Verwaltung sensibilisiert und Aktionen gemeinsam mit den Stadtwerken Öhringen organisiert. Zum Beispiel gab es Workshops zum Thema „Wie funktionieren erneuerbare Energien“ für Kinder. In Zukunft wollen wir mehr Angebote über die Volkshochschule anbieten. Perspektivisch soll es auch Aktionen mit Schulen geben.
Sie erwähnten eingangs, dass Öhringen bis 2035 klimaneutral werden soll, am besten sogar noch früher. Wie stehen die Chancen, dass Ihre Stadt das schafft? Für die gesamte Europäische Union ist dieses Ziel erst für 2050 vorgesehen.
Das Klimaschutzgesetz vom Land Baden-Württemberg macht klare Vorgaben, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Der Treibhausgasausstoß des Landes soll im Vergleich zu den Gesamtemissionen des Jahres 1990 bis 2030 um mindestens 65 Prozent gesenkt werden. Bis 2040 soll über eine schrittweise Minderung die Netto-Treibhausgasneutralität – also das, was man gemeinhin „Klimaneutralität“ nennt – erreicht sein. In Anbetracht der Klimakrise und des Pariser Klimaabkommens mit dem festgesetzten 1,5-Grad-Ziel wäre es fatal, wenn wir erst bis 2050 die Klimaneutralität erreichen würden. Wir müssen es schaffen, dass wir die Klimasysteme um uns herum stabilisieren und die gefährlichen Kippunkte, wie beispielsweise das Abschmelzen von Gletschern, verhindern. Grundsätzlich bindet sich Klimaneutralität auch nicht zwangsläufig an irgendeine Jahreszahl, sondern an den tatsächlichen Temperaturanstieg. Daher sollten wir stets daran interessiert sein, Klimaneutralität so früh es geht zu erreichen. Jedes Zehntelgrad zählt. Hierfür müssen wir kämpfen und gemeinsam einstehen.
„Gemeinsam einstehen“ ist ein guter Punkt, denn beim Klimaschutz handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der alle etwas beitragen müssen. Passiert das in ihrer Gemeinde? Gibt es bürgerliches Engagement zum Schutz des Klimas?
Ja, das ist richtig. Klimaschutz ist Teamarbeit. Wir können nur gemeinsam Großes bewirken. In Öhringen gibt es einiges an bürgerlichem Engagement, zum Beispiel die Bürgerinitiative „Öhringen klimaneutral 2035“. Diese Gruppe macht sich stark für ein klimaneutrales Öhringen 2035 und ist in engem Austausch mit der Stadtverwaltung. Darüber hinaus ist „Fridays for Future“ in Öhringen aktiv. Wir haben auch ein Repair-Café, wo kaputte Dinge kostenlos repariert werden, oder seit neuestem eine „DingeLeihe“ in unserer Stadtbücherei, wo man kostenlos besondere Gegenstände, die man selten nutzt oder nur mal ausprobieren möchte, ausleihen kann, Stichwort „Sharing Economy“. Beliebt sind auch die „Flurputzeten“ bei denen Vereine oder Schulen die Landschaft von Müll befreien. Dazu ist Öhringen Modellstadt in Baden-Württemberg zur Sammlung von Altspeisefett gewesen. Das Projekt läuft nun im ganzen Landkreis. Dabei wird aus altem Bratfett Biokraftstoff. Wir als Stadt unterstützen auch Carsharing und den Ausbau der E-Ladestruktur. Besonders beliebt ist unsere Streuobstpflanzaktion bei der die Stadt jährlich 300 kostenlose Obstbäume zur Pflanzung ausgibt.
Vielen Dank für diese spannenden Einblicke und für das Gespräch, Frau Strecker!