Wie Krankenhäuser und Kliniken die Energiewende voranbringen
Im Projekt „KLIK green“ werden klinikinterne Beschäftigte als Klimaschutzmanager*innen ausgebildet. Die Niels-Stensen-Kliniken und die Reha-Einrichtungen der Dr. Becker Unternehmensgruppe sind bereits auf Ökostrom umgestiegen. Ein Gespräch mit den beiden Verantwortlichen.
Das Klimaschutzprojekt „KLIK green“ hat das Ziel, mit einem bundesweiten Netzwerk von über 250 Kliniken deren Energie- und Ressourceneffizienz zu steigern und gemeinsam durch Klimaschutzmaßnahmen 100.000 Tonnen CO₂ einzusparen. In den beteiligten Einrichtungen werden beschäftigte Fachkräfte zu Klimamanager*innen qualifiziert, um konkrete Klimaschutzziele für die Einrichtungen festzulegen, Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Das Vorhaben führen die Projektpartner BUND Berlin, die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) und das Universitätsklinikum Jena (UKJ) durch. Gefördert wird es im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz bis Ende April 2022.
Großverbraucher setzen auf Ökostrom
Am Vorhaben „KLIK green“ beteiligen sich die acht Krankenhäuser der Niels-Stensen-Kliniken und die acht Reha-Einrichtungen der Dr. Becker Unternehmensgruppe . Sie beziehen heute bereits zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. Durch den Umstieg auf Ökostrom leisten die Klinikstandorte einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Als Großverbraucher sind sie darauf angewiesen, dass rund um die Uhr hohe Mengen an Strom zur Verfügung stehen. Die Entscheidung für einen geeigneten Anbieter erfolgte deshalb unter Berücksichtigung von nachhaltigen und quantitativen Kriterien.
Interviews mit den Klimamanagern
Im Gespräch mit dem Projektteam von „KLIK green“ erklären die Klimamanager Dr. Siegfried Borker und Jonas Bettenbühl, wie sie auf Qualität achten und vermeiden, dass der Einkauf von Ökostrom dem Kerngeschäft aus Kohle, Gas, Öl und Atomkraft einen „grünen Anstrich“ verleiht.
Hinweis der NKI-Redaktion: Die Interviews entstammen aus einer Pressemitteilung des Vorhabens.
Wir erarbeiten gemeinsam Ideen für Klimaschutzmaßnahmen, die wir regelmäßig der Geschäftsführung und den Einrichtungsleitungen vorstellen.
Beauftragter für Klimaschutz, Niels-Stensen-Kliniken
Herr Dr. Borker, Sie sind im Februar 2020 zu „KLIK green“ dazugestoßen und haben unter anderem den Wechsel zu einem Ökostromanbieter durchgesetzt. Wie kam es dazu?Die Entscheidung für einen Umstieg auf Ökostrom fiel im Sommer 2020. Ausschlaggebend war unsere Teilnahme am Klimaschutzprojekt „KLIK green“. Ich habe gleich zu Beginn eine Klimaschutzarbeitsgruppe bestehend aus dem zentralen Leiter der Küchen, einem stellvertretenden Leiter des Technischen Dienstes und dem zentralen Leiter der IT und Medizintechnik zusammengestellt. Wir erarbeiten gemeinsam Ideen für Klimaschutzmaßnahmen, die wir regelmäßig der Geschäftsführung und den Einrichtungsleitungen vorstellen, darunter auch den Umstieg auf Ökostrom.
Das hört sich nach einem schnellen internen Verfahren an. War das auch so?
Ja, in der Tat, kurz nach der Präsentation vor der Geschäftsführung und den acht Krankenhausleitungen informierte mich der Einrichtungsleiter, der den Stromeinkauf koordiniert, dass wir auf Ökostrom umstellen. Ich war selbst überrascht, dass der Wechsel so schnell vonstattenging, aber es trafen auch günstige Bedingungen aufeinander, zu denen zweifelsfrei eine engagierte Geschäftsführung zählt.
Welche Tipps würden Sie anderen geben, damit sie einen Ökostromanbieter finden, der nicht nur einen hohen Energiebedarf deckt, sondern gleichzeitig die Energiewende voranbringt?
Zu beachten ist: Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom. Der uns angebotene regionale Ökostrom, der überwiegend aus Windkraft bezogen wird, wäre um ein Vielfaches teurer und zudem für unseren riesigen Energiebedarf von etwa 19 Millionen Kilowattstunden im Jahr nicht lieferbar gewesen. Wir haben uns daher im Verbund zunächst für den günstigeren Ökostrom, erzeugt durch norwegische Wasserkraftwerke, entschieden und sind erst einmal beim jetzigen örtlichen Stromanbieter geblieben, der nicht nur sehr innovativ im Bereich der erneuerbaren Energien ist, sondern uns auch die erforderliche Strommenge als Ökostrom liefern kann. Langfristig steht für uns aber fest, dass wir zu einem Anbieter für Ökostrom mit anerkanntem Ökostrom-Label wechseln wollen. Hier gibt es zwei wichtige Label, mit denen man sich vor dem Einkauf von Ökostrom befassen sollte: zum einen das „ok-power-Siegel“ und zum anderen das „Grüner-Strom-Label“, das ja auch vom BUND besonders empfohlen wird. Dass sich der Umstieg für den Klimaschutz lohnt, zeigt sich bereits anhand der CO₂-Bilanzierung durch den BUND Berlin im Projekt. Demnach bewirkt der Wechsel in den Niels-Stensen-Kliniken aktuell eine Reduktion der CO₂-Äquivalente von 4.299 Tonnen im Jahr.
Der Wechsel zu einem anderen Stromanbieter ist keine sichtbare Maßnahme. Wie informieren Sie intern darüber?
Im Kontext unserer Teilnahme am Klimaschutzprojekt „KLIK green“ haben wir Mitglieder der Klimaschutzarbeitsgruppe ein Klimaschutzportal im Intranet „NielsNet“ für Mitarbeitende mit umfassenden Informationen zur Verfügung gestellt. Unter anderem sind dort alle laufenden und bereits umgesetzten Klimaschutzmaßnahmen präsentiert. Zudem finden sich weitere Informationen auch für die Öffentlichkeit auf unserer Website. Diese Klimaschutz-Homepage ist mit Unterstützung der Unternehmenskommunikation aufgebaut worden. Dort sind die zentralen Klimaschutzmaßnahmen mit Bild und einem kurzen Text präsentiert und auch die Urkunden über den Bezug von Ökostrom jeder Einrichtung sind hochgeladen.
Dann wissen sicher auch die Beschäftigten bereits Bescheid. Wirkt sich der Wechsel zu Ökostrom intern auch als Umweltbildungsmaßnahme aus?
Unsere Mitarbeitenden sehen, dass die Holdinggeschäftsführung es ernst mit dem Klimaschutz meint. Auch unser Aufsichtsrat, der sich in seiner letzten Sitzung im Oktober 2021 für das Klimaschutzziel „Klimaneutralität der Niels-Stensen-Kliniken bis 2030“ ausgesprochen hat, unterstreicht die Bedeutung von Klimaschutz in unserem Verbund. Das Klimaschutzengagement geht an den Mitarbeitenden sicherlich nicht vorüber. Ich nehme aber immer Abstand davon, zu missionarisch aufzutreten. Der Weg zum kontinuierlichen und integrierten Klimaschutz bedeutet einen Paradigmenwechsel, die Belegschaft muss dort abgeholt werden, wo sie jetzt steht.
Insgesamt ist wichtig, dass die Geschäftsleitung Nachhaltigkeit als Unternehmensziel versteht und als ganzheitlichen Ansatz verfolgt.
Referent für Nachhaltigkeit, Dr. Becker Unternehmensgruppe
Herr Bettenbühl, Sie sind erst seit Kurzem bei der Dr. Becker Unternehmensgruppe angestellt. Wie haben Sie die Einführung von Ökostrom erlebt?
Ich bin wie Sie richtig sagen erst seit Januar 2021 hier beschäftigt, aber
auch im Vorfeld gab es bei der Dr. Becker Unternehmensgruppe bereits Bestrebungen, den Stromanbieter zu wechseln. Der Strombezug wurde eingehend in Hinblick auf die Treibhausgasemissionen überprüft und da ließ sich der hohe Anteil von Strom sofort erkennen. Damit fiel die Entscheidung, 100 Prozent Ökostrom zu beziehen. Zwar wurden wir schnell fündig, aber nach genauer Prüfung mussten wir feststellen, dass unser Anbieter Ökostrom durch Müllverbrennung gewinnt, was mit einem zusätzlichen CO₂-Ausstoß verbunden ist. Damit waren wir nicht einverstanden und haben die Suche nach einem echten Ökostromanbieter begonnen.
Wie verlief die Suche nach einem emissionsärmeren Anbieter?
In der Tat nicht ganz ohne Hürden. Zusammen mit der Einkaufsabteilung und der Geschäftsführung haben wir die Anforderungen formuliert und die Ausschreibung selbst an einen externen Dienstleister abgegeben. Auf diesem Wege wurden gleich mehrere Anbieter gefunden, die sowohl unsere Kriterien erfüllten als auch unseren Energiebedarf von jährlich etwa fünfeinhalb Millionen Kilowattstunden für alle Reha-Kliniken decken können. Im Dezember 2021 konnte der Wechsel bereits vertraglich vereinbart werden und unserem Ziel, ab dem Januar 2022 Ökostrom mit dem Grüner Strom Label zu beziehen, steht nun nichts mehr im Wege.
Was empfehlen Sie anderen Kliniken, damit sie mit ihrer Wahl des Stromanbieters die Energiewende voranbringen?
Auf jeden Fall sollte entweder das „Grüner-Strom-Label“ oder „ok-power-plus-Siegel“, das inzwischen bei einem ähnlichen Standard ist, als Bedingung in die Ausschreibung aufgenommen werden. Sollten die Anbieter die erforderliche Strommenge dann nicht liefern können, wäre eine Überganglösung auch erst einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Beispielsweise könnte der Strom zunächst anteilig von einem Anbieter stammen, der eines der beiden Labels trägt. Der Austausch mit engagierten Netzwerken wie „KLIK green“ oder „ZUKE Green“ unterstützt und beschleunigt den Umstieg. Insgesamt ist wichtig, dass die Geschäftsleitung Nachhaltigkeit als Unternehmensziel versteht und als ganzheitlichen Ansatz verfolgt. In der Dr. Becker Unternehmensgruppe ist dies gegeben, es wurde sogar eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit eingerichtet. Diese sollte es, wie ich finde, in jeder Klinik oder Klinikgruppe geben.
Ist denn der Wechsel zu echtem Ökostrom auch Bestandteil interner und externer Kommunikation Ihres Unternehmens?
Ja, das ist uns sehr wichtig. Unsere Nachhaltigkeitskommunikation informiert sowohl nach innen als auch nach außen über unsere Nachhaltigkeitsstrategie und deren Maßnahmen. Da fließt das Thema Ökostrom natürlich mit ein. Im Dezember 2021 haben wir unter anderem unser Verständnis von Nachhaltigkeit auf unserer Website veröffentlicht. Auch auf Social Media posten wir aktiv über unseren Prozess.
Welchen Stellenwert hat der Umstieg auf Ökostrom im Rahmen der Umweltbildung für Mitarbeitenden?
Wir nutzen eine interne HR-Software mit einer E-Learning-Funktion. Dort wird es auch ein Modul geben, welches den Begriff „Nachhaltigkeit“ von allen Seiten beleuchtet und auch auf Praxisbeispiele wie den Nutzen von Ökostrom eingeht. Die Umstellung auf einen nachhaltigen Klinikbetrieb ist ein Prozess, in den wir alle Mitarbeitenden einbinden.
KLIK-Datenbank bietet Anregungen
Zwar bietet inzwischen fast jedes Stadtwerk und Unternehmen der Branche Ökostrom an, aber im deutschen Strommix des Jahres 2020 machte Strom aus erneuerbaren Energien nur 49 Prozent aus. Als ressourcenintensive Verbraucher können Kliniken erheblich dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix zu erhöhen und die notwendige Energiewende zu beschleunigen. Um etwaigen Mehrkosten entgegenzuwirken, ist die Prüfung auf Energieeinsparpotenziale hilfreich. Verschiedene Beispiele dazu finden sich in der KLIK Datenbank.
Sie haben Fragen zum Projekt?
Die Projektleiterin Dipl.-Ing. Annegret Dickhoff steht Ihnen telefonisch unter 030 - 787900 21 und per E-Mail an dickhoff@bund-berlin.de zur Verfügung.