Elektro-Transportfahrräder für den klimafreundlichen Einsatz im Kuriermarkt
Elektro-Lastenräder für den klimafreundlichen Einsatz im Kuriermarkt
Projektnehmer
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
Projektlaufzeit
01.04.2012 bis
30.06.2014
Projektkontakt
Fördersumme
514.857 Euro
Förderkennzeichen
03KSF029
Förderprogramm
Klimafreundliche Kurierfahrten mit dem Lastenrad
Staus, Lärm und Abgase sind in vielen deutschen Innenstädten schlimmer denn je. Dazu tragen zunehmend Fahrten von Lieferdiensten bei, die zusammen mit dem Online-Handel seit Jahren einen Boom erleben. Die Europäische Union forderte bereits 2011 für größere städtische Zentren das Ziel einer weitgehend CO2-freien Stadtlogistik bis zum Jahr 2030.
Auf einen Blick
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) setzte sich in diesem Projekt entsprechend zum Ziel, Kurierdienstleisterinnen und -dienstleister zum Umstieg auf Elektro-Lastenräder zu motivieren und dadurch den Einsatz von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu verringern. Kurierunternehmen in acht Ballungsräumen erprobten in einem Zeitraum von zwei Jahren insgesamt 41 Elektro-Lastenräder im alltäglichen Gebrauch. Auf dieser Basis wurden das Potenzial der Lastenräder zur Verringerung der CO2-Emissionen im Stadtverkehr abgeschätzt und die Einsatzmöglichkeiten im Kurierbereich ausgelotet. Neben den positiven Auswirkungen in den beteiligten Städten führte das Projekt im ganzen Bundesgebiet zu einem größeren Interesse an den Elektro-Lastenrädern als zukunftsweisende und klimafreundliche Transportmittel im urbanen Raum.
Entlastete Städte – entlastetes Klima
Für Kurierfahrten werden häufig recht große Lieferwagen genutzt, die für den städtischen Raum nur wenig geeignet sind. Die Motoren sind für den Stop-and-Go-Verkehr und die zahlreichen kurzen Fahrten nicht ausgelegt. Auch der Verkehr wird behindert – unter anderem durch das Parken in zweiter Reihe. Elektro-Lastenräder sind im urbanen Raum noch wenig verbreitet, könnten aber gerade beim Transport kleinerer Güter auf kurzen Distanzen diese Gefährte ersetzen. Das würde nicht nur Treibhausgasemissionen einsparen, sondern auch die Lebensqualität und Sicherheit in Ballungsräumen verbessern – durch niedrigere Schadstoff- und Lärmemissionen und die Vermeidung und Verlagerung von Verkehr.
„Man merkt doch, dass man treten muss, aber es beschleunigt mich ohne große Kraftaufwendung auf 25 Kilometer pro Stunde.“ Christian Meier, Lastenradkurier
Das Lastenrad iBullitt
Das im Projekt eingesetzte iBullitt ist eine technische Weiterentwicklung des bereits seit langem etablierten Lastenrades Bullitt und wird durch einen Elektromotor unterstützt. Mit einer stabilen Transportkiste und einem Volumen von knapp 200 Litern ist es für den Einsatz durch Kurierfahrerinnen und -fahrer bestens geeignet. Durch die technische Hochrüstung können die Fahrzeuge bis zu 100 Kilogramm zuladen und haben im voll beladenen Zustand eine elektrische Reichweite von 90 Kilometern. Die elektrische Unterstützung beschleunigt die Fahrzeuge auf bis zu 25 Kilometer pro Stunde. Höhere Geschwindigkeiten und weitere Distanzen können durch Muskelkraft erzielt werden. Als Pedelec kann das iBullitt auf Fahrradwegen genutzt werden. Im Projekt wurde auch ein CargoCruiser eingesetzt, ein dreirädriges Fahrzeug mit überdachter Fahrerzelle und Transportkiste hinter der Fahrerin beziehungsweise dem Fahrer.
Einsatz der Lastenräder unter realistischen Bedingungen
Kurierdienstleisterinnen und -dienstleister aus Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Bremen, Leipzig, Nürnberg und Potsdam, die bereits Fahrradkurierfahrerinnen und -fahrer im Einsatz hatten, beteiligten sich am Projekt. Sie erprobten insgesamt 41 Elektro-Lastenräder des Modells iBullitt in diesen acht Städten.
Der praktische Einsatz der Elektro-Lastenräder begann im Sommer 2012 und dauerte zwei Jahre. Die Überlassung der Räder an die Kurierzentralen beziehungsweise Kurierfahrerinnen und ‑fahrer erfolgte über Leasingverträge, die mit einer monatlichen Gebühr von 35 bis 50 Euro verbunden waren. Die Räder wurden vollständig in den Normalbetrieb der Unternehmen integriert und so unter realistischen Bedingungen eingesetzt.
Das sagen die Fahrerinnen und Fahrer
Sie sind in der Regel als selbständige Subunternehmerinnen und -unternehmer für die Kurierzentralen tätig und häufig Eigentümerinnen und Eigentümer ihres Dienstfahrzeugs. Somit liegt die Wahl des Fahrzeugs in ihrer Hand.
Um Näheres über ihre Einstellungen und Einschätzungen herauszufinden, führte das DLR im Mai 2012 und im April 2014 zwei Befragungen unter Fahrrad-, iBullitt-, und PKW-Kurierfahrerinnen und ‑fahrern durch.
Von den 600 Befragten gaben rund 200 ihre Einschätzungen über einen Online-Fragebogen ab. Unabhängig vom bisher genutzten Fahrzeug bestand bereits vor dem Test ein positives Meinungsbild zu Elektro-Lastenrädern bei den überwiegend männlichen und technikaffinen Befragten.
Nach der Testphase bestätigten die Fahrerinnen und Fahrer die Eignung der Lastenräder für die gewerbliche Nutzung; und auch bei der Sicherheit, dem Umweltschutz und der Akzeptanz von Kundinnen und Kunden sahen die Befragten kein Problem. Vorbehalte gab es jedoch weiterhin hinsichtlich der elektrischen Reichweite und der noch vergleichsweise hohen Anschaffungskosten. Die Befragten fühlten sich allerdings nicht gut über Technik und Nutzung der Elektro-Lastenräder informiert. Fahrerinnen und Fahrer, die bereits selbst Erfahrungen mit einem Elektro-Lastenrad gesammelt hatten, bewerteten diese Punkte auch vor dem Praxistest bereits positiver.
Präsent auf der Straße – und in den Medien
Rund 100-mal wurde in der Projektlaufzeit in diversen Medien über das Projekt berichtet. Über 1.000 Besucherinnen und Besucher fanden monatlich auf der Projektwebseite weitere Informationen. Die Fahrerinnen und Fahrer standen in direktem Kontakt mit zahlreichen privaten und gewerblichen Kundinnen und Kunden und versorgten diese und andere Interessierte bei Bedarf mit Informationsbroschüren. Nicht zuletzt trug jedes der iBullitts den Schriftzug „Ich ersetze ein Auto.“ Durch diese Maßnahmen erhielt das Projekt große Aufmerksamkeit und erhöhte den Bekanntheitsgrad von Elektro-Lastenrädern deutlich.
Die Öffentlichkeitswirkung führte zu Anfragen durch weitere Gruppen wie zum Beispiel Fotografinnen und Fotografen, Handwerkerinnen und Handwerker, aber auch von neugegründeten Unternehmen aus dem Bereich Logistik, Stadtwerken und anderen kommunalen Einrichtungen, die teilweise an einer Beteiligung am Projekt (testweise Nutzung eines Elektro-Lastenrades) oder an den Möglichkeiten einer öffentlichen Förderung der Lastenrad-Anschaffung interessiert waren.
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Was sollte das Projekt erreichen?
- Elektro-Lastenrädern sollten als Ersatz für Personenkraftwagen (PKW) im Kurierbereich (in den Modellregionen) etabliert werden;
- verkehrsbezogene und emissionsbezogene Potenziale sollten erfasst werden;
- die Bekanntheit und die Akzeptanz von Elektro-Lastenrädern sollten erhöht werden und weitere Nutzergruppen erschließen.
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Was hat das Projekt erreicht?
- 41 Fahrzeuge sind in den Modellregionen im Einsatz und substituieren damit PKW-Fahrten;
- weitere Nutzergruppen wie zum Beispiel Fotografinnen und Fotografen, Handwerkerinnen und Handwerker, Unternehmen aus dem Bereich Logistik, Stadtwerke und andere kommunale Einrichtungen sind an den Fahrrädern interessiert.
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Wie ging es weiter?
- Alle Projektfahrzeuge wurden nach Ablauf der Leasingphase von selbständigen Fahrerinnen und Fahrern oder den Kurierzentralen übernommen und bleiben weiterhin im Einsatz;
- bei einigen Standorten wurde eine Erweiterung der Lastenrad-Flotte geplant;
- In Hamburg konnte mit Ikea ein wichtiger neuer Kunde für die Heimzustellung per Lastenrad gefunden werden.
Beitrag zum Klimaschutz
Bereits während der Projektlaufzeit wurde mit der Aufnahme der Elektro-Lastenräder in die Kurierdienstflotten eine Verbesserung des umweltfreundlichen Anteils am Modal-Split (der Verteilung des Transportaufkommens auf die verschiedenen Verkehrsmittel) erreicht. Die direkte Einsparung lag bei circa 53 bis 56 Tonnen CO2-Emissionen. Generell könnten rund 42 Prozent der von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren durchgeführten Aufträge und 19 Prozent der daraus resultierenden Fahrleistung im städtischen Kuriermarkt durch Elektro-Lastenräder wie dem iBullitt ersetzt werden.
Tipps und Tricks für interessierte Institutionen
Der Projektansatz zeigte deutlich, wie Hemmnisse für den erhöhten Einsatz von Elektro-Lastenrädern abgebaut werden können.
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Checkliste der Erfolgsfaktoren
- Um die Räder für die selbstständigen Fahrerinnen und Fahrer attraktiver zu machen, müssen die Anschaffungskosten reduziert werden;
- die Vorteile der Elektro-Lastenräder (im Vergleich zum Auto oder herkömmlichen Fahrrädern) sollten klar benannt werden;
- Angebote zur Probenutzung müssen ausgebaut werden, um Vertrauen zu schaffen;
- durch gute Sichtbarkeit wird Öffentlichkeit hergestellt.
Praxiserfahrungen sammeln
Die Fahrerinnen und Fahrer stehen der Nutzung von Elektro-Lastenrädern deutlich aufgeschlossener gegenüber, wenn sie diese Fahrzeugkategorie selbst getestet haben. Angebote zur Probenutzung helfen, die Akzeptanz der Lastenräder zu fördern und sie technisch weiter zu optimieren.
Anschaffungskosten reduzieren
Die hohen Anschaffungskosten sind nach wie vor eine Hürde für die selbstständigen Fahrerinnen und Fahrer. Die Förderung der Projektfahrzeuge über das Leasingmodell gestattete es, diesen ökonomischen Nachteil auszugleichen und Fahrerinnen und Fahrern die Nutzung zu ermöglichen. Das Projekt machte auch den Herstellern deutlich, wie wichtig es ist, an einer zwar qualitativ hochwertigen aber auch preislich attraktiven Produktpalette zu arbeiten. Auf der anderen Seite könnten innovative Nutzungs- und Kaufmodelle in Kooperation mit den Kurierzentralen wichtige Hilfestellungen bieten. Eine Möglichkeit wäre, dass die Kurierzentralen die Fahrzeuganschaffung übernehmen und die Fahrzeuge an die Kurierfahrerinnen und -fahrer vermieten. Andere Wege wären, zur Festanstellung von Fahrerinnen und Fahrern zurückzukehren oder zumindest weiter geförderte Leasingverträge anzubieten.
Autos ersetzen – Kosten sparen
Das Projekt weckte Interesse sowohl bei Auto- als auch bei Fahrradkurierfahrerinnen und -fahrern. Die elektrische Unterstützung und die potenzielle Einsparung von bis zu 98 Prozent der Verbrauchskosten (zum Beispiel für Treibstoff und Wartung) erleichtern Autokurierfahrerinnen und -fahrern die Entscheidung, ihr Kraftfahrzeug stehen zu lassen.
Für die bisherigen Fahrradkurierfahrerinnen und ‑fahrer ermöglicht der Elektromotor auch solche Aufträge anzunehmen, die bisher nur mit dem Auto erledigt werden konnten. Im direkten Wettbewerb mit diesen können die Fahrradkurierfahrerinnen und ‑fahrer auf Elektro-Lastenrädern auch schwerere Güter über weitere Entfernungen transportieren. Nicht zuletzt ermöglicht das ihnen auch höhere Umsätze.
Diese Vorteile wurden durch das DLR – eine staatlich finanzierte Forschungseinrichtung – eindeutig und mit Zahlen belegt. Die Ergebnisse können und sollten nicht nur Logistikunternehmen, sondern auch Kommunalverwaltungen, öffentliche Beschaffer und mehr Fahrerinnen und Fahrer dazu animieren, die Vorteile der Elektro-Lastenräder zu erkennen und intensiv auszunutzen.
Das Logo auf die Straße bringen
Die gute Sichtbarkeit des Projektes im öffentlichen Raum durch die Präsenz der Lastenräder mit eigenem Logo erhöhte das Interesse an innovativen Produkten und Angeboten im Kurierbereich. Diese Erfahrungen können sich andere Projekte zunutze machen und auf die Kommunikation über verschiedene Medien achten. Das im Rahmen des Projektes entwickelte Logo „Ich ersetze ein Auto“ und die Anbringung direkt am Fahrzeug leistete einen guten Beitrag zur Sichtbarkeit. Noch während des Projektzeitraumes gingen beim Durchführer des Projektes bereits 100 Anfragen mit dem Wunsch nach einer Projektbeteiligung ein.
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