Kosten energiesparender Maßnahmen im Wohngebäudebestand
Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit energiesparender Maßnahmen bei der energietechnischen Modernisierung von Wohngebäuden ist die zentrale Frage zu beantworten: Wie hoch sind die Kosten der Modernisierung und in welchem Verhältnis stehen die Kosten zu den eingesparten Energiekosten?
Projektnehmer
Institut Wohnen und Umwelt Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Projektlaufzeit
01.09.2013 bis
31.05.2015
Projektkontakt
Fördersumme
30.944 Euro
Förderkennzeichen
03KSF042
Förderprogramm
Die wahren Kosten der Sanierung kennen
Vor der Entscheidung für energetische Sanierungen stehen zwei Kernfragen. Erstens: Wie viel kostet das? Zweitens: Lohnt sich das, sprich ab wann wiegen die eingesparten Energiekosten die Höhe der aufgebrachten Investitionen auf? Beide Fragen hängen miteinander zusammen und sind nicht so ohne weiteres zu beantworten. Genau deshalb sind sie auch Gegenstand anhaltender Kontroversen und politischer Debatten.
Auf einen Blick
Um die Diskussion zu versachlichen erarbeitete das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU) eine Studie, die anhand von tatsächlich durchgeführten Sanierungen darstellt, welche Kosten insgesamt anfielen und welche davon konkret auf energetische Sanierungsmaßnahmen zurückzuführen waren. Dazu wertete das Projektteam die ausgewiesenen Kostenberechnungen für bauteil- und anlagentechnische Maßnahmen von insgesamt 1.177 Wohngebäuden aus. Das Ergebnis waren statistisch abgesicherte Schätzwerte für die typischen Vollkosten und die energiebedingten Mehrkosten. Diese Werte flossen in ein bestehendes Berechnungsprogramm ein, das die Darstellung von Sanierungskosten unterstützt und Investorinnen und Investoren sowie Wohnungsunternehmen in ihrer langfristigen Sanierungsplanung hilft.
Wenn schon sanieren, dann richtig!
Die gesetzlichen Standards für die Modernisierung von Wohngebäuden sind in der Energieeinsparverordnung (EnEV) festgelegt. Diese enthält das so genannte Kopplungsprinzip. Danach muss die Durchführung energetischer Sanierungen nur erfolgen, wenn ohnehin größere Maßnahmen der Instandsetzung anstehen, und wenn sie in diesem Rahmen wirtschaftlich vertretbar sind. Eine Außenwand muss also nur dann nachträglich gedämmt werden, wenn sie in sehr schlechtem Zustand ist und der Außenputz ohnehin erneuert werden müsste. Die Kosten für den Putz sind dann strenggenommen keine energiebedingten Mehrkosten, sondern fallen sowieso an. Genau hier aber scheiden sich die Geister: Welche der Maßnahmen am Gebäude gehören zu den Sowieso-Kosten und welche sind Mehrkosten, die nur aufgrund der energetischen Modernisierung entstehen?
Typische Kosten für Baumaßnahmen
Die Studie sollte auch die Planungssicherheit erhöhen und – so das Ziel – mehr Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer sowie Wohnungsunternehmen zur energetischen Sanierung ihrer Wohngebäude motivieren.
Die Fachleute des IWU betrachteten dazu die Kosten der folgenden typischen Bereiche für Sanierungsmaßnahmen:
- Außenwand;
- Steildach und Flachdach;
- Oberste Geschossdecke;
- Kellerdecke;
- Fenster und Fenstertüren;
- Solaranlagen und Heizungsanlagen;
- Lüftungsanlagen.
Gute Datenbasis typischer Maßnahmen
Die Analyse wurde genutzt, um typische Kostenspannen zusammenzustellen. Die Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von Sanierungen an insgesamt 1.177 Wohngebäuden. Davon waren 784 Ein- und Zweifamilienhäuser. In der Kostengruppe Wärmedämmung und Fenster wurden Maßnahmen mit einer Fläche von 265.000 Quadratmetern ausgewertet. Im Bereich Heizung und Lüftung analysierte das Projektteam über 900 Maßnahmen. Die meisten Fälle stammten aus Daten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die über ihr Programm „Energieeffizient Sanieren“ entsprechende Vorhaben förderte. Weitere Daten kamen aus regionalen Förderprogrammen von Hannover und Mannheim. Ergänzend stellten private Ingenieurbüros Kostenfeststellungen von 49 Projekten zur Verfügung. Das Projektteam berücksichtigte durchgeführte Vorhaben ab dem Jahr 2011.
Die Datengrundlage umfasste dabei Kostenfeststellungen im Umfang von mehr als 60 Millionen Euro. Um die Kosten zu vergleichen, normierten die Analystinnen und Analysten die Preise über die Multiplikation eines Regionalfaktors mit dem standardisierten Baupreisindex des Deutschen Statistischen Bundesamtes.
Statistische Auswertung sorgt für belastbare Ergebnisse
Mit Hilfe von Regressionsanalysen ermittelte das Projektteam repräsentative Schätzwerte. Die Auswertung verdeutlichte, dass die Streuung der Kosten entsprechend der baupraktischen Erfahrung sehr groß war und im Einzelfall deutlich über oder unter den „typischen“ Kosten lagen. Dies sollte bei einer Einzelfallbetrachtung berücksichtigt werden. Des Weiteren war kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der energetischen Qualität und den Kosten einzelner Vorhaben ableitbar. Vielmehr waren andere, nicht-energierelevante Faktoren wesentlich für die Entwicklung der Gesamtkosten. Das heißt, dass energiesparendes Bauen nicht unbedingt zu hohen Kosten führen muss.
Einsatz in der praxisnahen Energieberatung
Zur energetischen Bilanzierung von Wohngebäuden stellte das IWU Energieberaterinnen und -beratern bereits vor dem Projekt die Excel-Anwendung EnEV-XL zur Verfügung. Mithilfe dieser konnten sie Beispielberechnungen in der Energieberatung durchführen. Die Projektergebnisse flossen in eine neue Version ein. Mit dem Zusatzblatt „EnEV-XL Kostenbetrachtung Bestand“ können Energieberaterinnen und Energieberater nun die Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen besser veranschaulichen. Den Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern können die Beraterinnen und Berater so die Spannweite typischer Kosten aufzeigen und veranschaulichen, ob die von ihnen geplanten, objektbezogenen Maßnahmen hoch oder niedrig und vor allem wirtschaftlich sind.
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Was hat das Projekt erreicht?
- Ermittlung der typischen Kosten und energiebedingten Mehrkosten und dadurch Schaffung von Transparenz in der kontroversen Diskussion um die Wirtschaftlichkeit energiesparender Maßnahmen;
- Verstärkung der Planungssicherheit für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer über die Bereitstellung von statistisch abgesicherten Schätzwerten.
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Was sollte das Projekt erreichen?
- Schaffung von Transparenz in der kontroversen Diskussion der Kosten, der energiebedingten Mehrkosten und der Wirtschaftlichkeit energiesparender Maßnahmen;
- Verstärkung der Planungssicherheit für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer;
- Erhöhung der Zahl der Sanierungsmaß-nahmen;
- Verringerung der Treibhausgasemissionen im Gebäudebestand.
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Wie ging es weiter?
Das Projektteam integrierte das Zusatzblatt „EnEV-XL Kostenbetrachtung Bestand“ in die Excel-Anwendung EnEV-XL, die von Energieberaterinnen und -beratern für Energiebilanzverfahren genutzt wird. Mithilfe des Zusatzblattes können sie nun eine dynamische Wirt-schaftlichkeitsberechnung der Maßnahmen durchführen und ihren Kundinnen und Kunden die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Maßnahmen einfacher darstellen.
Beitrag zum Klimaschutz
Das Projekt löste keine unmittelbaren klimaschonenden Effekte aus. Die Kosten von Sanierungsmaßnahmen sind allerdings entscheidend. Wenn die Aufklärung mithilfe der Wirtschaftlichkeitsberechnung zu einer höheren Bereitschaft für Investitionen in energetische Sanierungen führt, könnten die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer zu einer signifikanten CO2-Reduktion im Gebäudesektor beitragen – der Beitrag des Projektes zum Klimaschutz wäre enorm.
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Checkliste der Erfolgsfaktoren
- Ausschreibungen professionell formulieren;
- Schätzwerte für Sanierungsplanung nutzen;
- Berechnungen auf Grundlage einer möglichst umfangreichen Datenbasis durchführen.
Tipps und Tricks für interessierte Institutionen
Die Studie lieferte Anhaltspunkte für die Praxis der Sanierungsplanung und Energieberatung und für die Qualität weitergehender wissenschaftlicher Auswertungen. Die Ergebnisse des Projektes sind daher sowohl für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, die Sanierungsmaßnahmen planen, als auch Energieberaterinnen und Energieberater sowie Forschungsinstitutionen relevant.
Qualität von Ausschreibungen beachten
Die Auswertung zeigte, dass in vielen Fällen deutlich höhere Kosten für die energetischen Sanierungsmaßnahmen anfielen, als die Durchschnittswerte aus der Analyse aller Daten suggerieren. Dies hing unter anderem mit der fehlerhaften Formulierung der Ausschreibungen zusammen. Bauprojekte mit professioneller Ausschreibung und Baubegleitung sind dagegen kostengünstiger als die in dieser Studie ermittelten Querschnittswerte.
Typische Kosten für Portfolioanalysen
Die ermittelten Werte können von Wohnungsunternehmen genutzt werden, um typische Kosten und energiebedingte Mehrkosten bei der energetischen Modernisierung von größeren Gebäudebeständen einzuschätzen und damit langfristige Sanierungspläne zu formulieren. Dabei sollten Planerinnen und Planer allerdings beachten, dass aufgrund der Datenbasis ein repräsentativer Querschnitt typischer Kosten von Maßnahmen abgebildet wird, die bereits am Markt eingeführt sind. Daraus ergibt sich, dass die Ergebnisse nicht automatisch auf umfangreichere energetische Sanierungen nahe am Passivhausstandard angewendet werden können.
Dokumentation der Datenbasis und der Systematik der Kostenzuordnung beachten
Das Projektteam analysierte im Rahmen des Projektes auch 11 Vergleichsstudien, um die eigenen Ergebnisse einordnen zu können. Dabei wurde deutlich, dass die vergleichbaren Studien zwar die Vollkosten und die der energiebedingten Mehrkosten verschiedener energiesparender Maßnahmen in Wohngebäuden zusammentrugen, jedoch häufig Angaben zu den Datenquellen und der Systematik der Kostenzuordnung fehlten. Diese wurden in den Vergleichsstudien vielfach nicht dokumentiert, da die Studien nur mit dem Ziel einer Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt wurden. Dies machte einen aussagekräftigen Vergleich letztlich schwierig. Für die realistische Bewertung von Studienergebnissen mit Blick auf die Kostenverteilung ist eine lückenlose Dokumentation von Datenbasis, Systematik der Kostenzuordnung und detaillierter Maßnahmenbeschreibung wichtig.
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