„Man muss manchmal mutig sein“
Paula Müller arbeitet seit April 2021 als Klimaschutzmanagerin der Kreisstadt Plauen in Sachsen. Dabei verantwortet die 26-jährige Diplom-Ingenieurin der Fachrichtung Energie- und Umwelttechnik unter anderem die Umsetzung des Energie- und Klimaschutzkonzepts der Stadt. Ihr Einsatz zahlt sich aus: Am 27. September wurde Plauen zum vierten Mal als „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ ausgezeichnet. Ein Gespräch über ihre Arbeit und aktuelle Herausforderungen.
Frau Müller, warum wollten Sie Klimaschutzmanagerin von Plauen werden?
Als ich die ausgeschriebene Stelle sah, dachte ich: Das ist genau der Job, den ich immer machen wollte. Der Klimawandel ist einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Auch wenn ich allein nicht die Welt retten werde, kann ich hier doch meinen kleinen Beitrag dazu leisten.
Seit wann spielt Klimaschutz in Plauen eine Rolle?
Ab den 90er-Jahren, als das Thema Energieeffizienz aufkam, rückte das Thema stärker in den Mittelpunkt. In dieser Zeit wurde die Braunkohleverbrennung in der ganzen Stadt Stück für Stück eingestellt, auch das Heizwerk für das Fernwärmenetz wurde auf Erdgas umgestellt. 2008 beschloss die Stadt am „European Energy Award“ teilzunehmen. Die Auszeichnung macht die Erfolge von Kommunen bei Energieeffizienz und Klimaschutz mess- und sichtbar. Dank des Zertifizierungssystems des Awards hatte die Verwaltung damals zum ersten Mal ein Instrument, um definierte Maßnahmen einleiten zu können. Im Jahr 2011 erfolgte die erste Auszeichnung als zertifizierte „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“.
Können Sie weitere Meilensteile im Klimaschutz von Plauen nennen?
Am 7. März 2017 hat der Stadtrat das integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept beschlossen. Zeitgleich begann in Zusammenarbeit mit dem Energieeffizienznetzwerk Sachsen der Aufbau unseres kommunalen Energiemanagements. Die erste öffentliche Ladestation für E-Autos haben die Stadtwerke im Jahr 2014 errichtet.
Welche Bereiche, Maßnahmen und Ziele stehen im Mittelpunkt des Klimaschutzkonzepts?
Das Konzept bezieht sich auf den Zeitraum von 2015 bis 2025 und umfasst einen Bericht sowie einen Katalog mit 31 konkreten Maßnahmen. Der Bericht enthält eine Bestandsaufnahme, die Treibhausgasbilanz aller Gebäude und des Verkehrs sowie eine Auflistung der beteiligten Akteure. Zusätzlich gibt es eine Potenzialanalyse, die mögliche Energie- und CO2-Einsparungen darstellt. Die 31 Maßnahmen sind jeweils einem von sechs Handlungsfeldern zugeordnet, die auch beim „European Energy Award“ auftauchen: „Entwicklungsplanung und Raumordnung“, „Kommunale Gebäude und Anlagen“, „Versorgung und Entsorgung“, „Mobilität“, „Interne Organisation“ sowie „Kommunikation und Kooperation“.
Können Sie bitte ein Beispiel nennen?
Eine Maßnahme sieht vor, dass energetische Standards für städtische Ausschreibungen und Neubauten definiert werden müssen oder der Einsatz von erneuerbaren Energien wie Photovoltaik geprüft wird. Im Bereich „Mobilität“ wollen wir beispielsweise ein Konzept zur E-Mobilität entwickeln, gemeinsam mit regionalen Partnern wie den Stadtwerken.
Das Konzept wurde vor vier Jahren verabschiedet. Wie wirkt sich das auf Ihre heutige Arbeit aus?
Durch den offiziellen Beschluss des Stadtrats erlangte es eine gewisse Bekanntheit. Das unterstützt die Legitimation meiner Arbeit. Das Konzept dient mir als sehr gute Arbeitsgrundlage, da es bereits konkrete Handlungsschritte und Ansprechpartner*innen enthält. Einige Maßnahmen sind bereits erfolgreich umgesetzt. Einige andere lassen sich heute zum Teil nicht mehr so verwirklichen, wie man sich das damals vorgestellt hat – an der Stelle müssen wir prüfen, ob und wie wir die Realisierung noch gestalten wollen.
Die Aufgaben von Klimaschutzmanager*innen können sehr unterschiedlich sein. Welche sind Ihre?
Ich gebe den Anstoß für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, bringe alle Beteiligten an einen Tisch, suche nach Fördermitteln und koordiniere den Arbeitsprozess. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für sämtliche Klimaschutzaktivitäten und -projekte, sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch für Bürger*innen und Unternehmen in Plauen. Dabei arbeite ich den Beteiligten Informationen zu, koordiniere Termine und inhaltliche Abstimmungen, übernehme aber auch Aufgaben der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Willkommensfilm Klimaschutzmanagement
Fördermöglichkeiten und Beratungsangebote der NKI im Fokus
Der Film gibt Berufseinsteiger*innen einen ersten Einblick in die Förderrichtlinien und Beratungsangebote der NKI. Weiterhin zeigt er Kommunen die Vorzüge von Klimaschutzmanager*innen auf. Sie können beispielsweise Fördermittel für die Radverkehrsinfrastruktur, Energieeffizienz oder Modellprojekte beschaffen und so klimafreundliche Modernisierungen voranbringen. Die Personalkosten werden bis zu 100 Prozent von der NKI gefördert.
Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?
Wenn ich es einrichten kann, lese ich täglich morgens verschiedene Newsletter und regionale Nachrichten. Mir ist es wichtig auf dem laufenden Stand zu sein, besonders was Fördermittel betrifft. Ansonsten ist es sehr viel Projektarbeit, derzeit habe ich ein Energiekonzept für einen Neubau auf dem Tisch. Grundsätzlich ist es kein klassischer Bürojob, bei dem man den ganzen Tag am Computer sitzt. Ich bin häufig für Abstimmungstermine unterwegs.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleg*innen?
Meine Stelle ist in der Abteilung „Stadtplanung und Umwelt“ angesiedelt. Das bedeutet für mich, dass mich die Leute innerhalb der Rathausstrukturen besser einordnen können. Regelmäßig stimme ich mich mit meinen Vorgesetzten, meinem Fachgebietsleiter und der Bürgermeisterin meines Geschäftsbereichs ab. Besonders häufig arbeite ich mit einem Kollegen aus dem städtischen Eigenbetrieb „Gebäude- und Anlagenverwaltung“ zusammen, der das Energiemanagement der kommunalen Gebäude in Plauen verantwortet. Da er bereits viele Ansprechpartner*innen in den städtischen Einrichtungen kennt, kann er mir meist die Kontakte vermitteln.
Mit welchen Maßnahmen und Themen beschäftigen Sie sich aktuell?
Ein sehr schönes Projekt ist ein neuer Energielehrpfad in der Innenstadt. Die Route wird unter anderem an Photovoltaikanlagen, einem Gründach und zwei Wasserrädern vorbeiführen. Gemeinsam mit Schüler*innen tragen wir die Informationen zusammen und stellen die Tafeln her. Ein anderes Thema: Demnächst bieten wir eine Informationsveranstaltung über Carsharing für Unternehmer*innen und Anwohner*innen an. Denn wir möchten herausfinden, wie stark das Interesse dafür ist. Außerdem prüfe ich gerade, ob wir bei zwei Förderprogrammen Anträge stellen, und bin mit der Gründung einer „Arbeitsgruppe Klimaschutz“ beschäftigt.
Mit welchen Herausforderungen haben Sie derzeit zu tun?
Gerade wenn man wie ich vorher in der freien Wirtschaft gearbeitet hat, sind die Prozesse in der öffentlichen Verwaltung am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Einerseits ist es vorteilhaft, dass ich hier viele erfahrene Kolleg*innen habe, die die Arbeitsabläufe und zuständigen Personen kennen. Andererseits stoße ich mit meinen Vorschlägen auch ab und zu auf Widerstand – da hilft nur dranbleiben. Wir sind eine finanzschwache Kommune. Deshalb ist es wichtig, die richtigen Förderprogramme zu finden und auch mal kreative Wege zu gehen, um Projekte ohne eigene Mittel umzusetzen.
Was möchten Sie anderen Klimaschutzmanager*innen für ihre Arbeit mit auf den Weg geben?
Man muss manchmal mutig sein und Neues vorschlagen. Bei Reaktionen wie „Das geht so nicht“ oder „Das haben wir doch schon einmal versucht“ sollte man nicht lockerlassen. Schließlich ändern sich auch ab und zu Rahmenbedingungen, Förderprogramme und Gesetze. Was vor zehn Jahren nicht ging, geht heute teilweise sehr einfach. Bei Ideen in Bereichen, die gesellschaftlich oft kritisch gesehen werden – nach meiner Erfahrung sind das zum Beispiel Elektromobilität oder Windkraft – sollte man sich mit schlagkräftigen Argumenten auf möglichen Widerstand vorbereiten.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?
Was das Budget oder die Mittelausstattung angeht, wäre ein fester jährlicher Betrag, der mir für kleinere Projekte oder den Eigenanteil eines Förderprogramms zur Verfügung steht, vorteilhaft. Und grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass sich nicht nur ein*e Klimaschutzmanager*in in der Kommune mit dem Klimawandel befasst, sondern ein kleines Team. Der Bereich umfasst viele verschiedene Themengebiete, bei einigen bin ich fachlich sehr gut, bei anderen kann ich jedoch nur unterstützen.