Verbundprojekt: 'Klimaschutz. In unserer Hand' – Kommunikations- und Bildungsangebote für türkei- und russlandstämmige Migrantinnen und Migranten KliMig
Kommunikations- und Bildungsangebote für türkei- und russlandstämmige Migrantinnen und Migranten (KliMig)
Projektnehmer
ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung GmbH
Projektlaufzeit
01.05.2012 bis
31.01.2015
Projektkontakt
Fördersumme
451.128 Euro
Förderkennzeichen
03KSF024A/B
Förderprogramm
Merhaba! und Добрый день
Informationen zum Klimaschutz erreichen Menschen mit Migrationshintergrund eher schwer. Deshalb wurde für Türkisch- und Russischsprachige ein eigenes Wissens- und Beratungsangebot entwickelt.
Auf einen Blick
Empfehlungen zu Klimaschutz und Energieeffizienz finden mehr Anklang, wenn sie am Alltagsverhalten der Menschen andocken. Auf dieser Erfahrung baute das Projekt Klimaschutz in unserer Hand, kurz KliMig, auf. Es wandte sich insbesondere an Menschen mit Migrationshintergrund, und zwar an die zahlenmäßig besonders große türkisch- sowie russischsprachige Bevölkerung. Hier waren noch kaum Kenntnisse darüber vorhanden, wie man gleichzeitig CO2-Emissionen senken und Geld sparen kann. Die gängigen Informationen deutscher Medien erreichen sie so gut wie nicht, da sie sich meist auf muttersprachlichen Kanälen orientieren. Deshalb musste das Ziel, ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Klimaschutz zu erzeugen und praktisches Handlungswissen zu vermitteln, diesen Gewohnheiten angepasst werden. Besonders durch Veranstaltungen in Kulturvereinen, religiösen Gemeinden und Moscheen konnten viele Menschen erfolgreich erreicht werden.
Kulturelle Kompetenz ist gefragt
KliMig wurde von zwei darauf spezialisierten Organisationen umgesetzt. Das ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung GmbH wandte sich an russisch-stämmige Menschen, die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) an solche mit türkischen Wurzeln. Beiden Organisationen stellten sich die Aufgabe, die Themen Klimaschutz und Energie mit Fingerspitzengefühl auf die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe sowie Bildungsniveaus zuzuschneiden.
Im Fokus standen vor allem traditionsverwurzelte Migranten-Milieus und die aufstiegsorientierte Mitte. Ihnen sollten niedrigschwellige und im Alltag nutzbare Kenntnisse vermittelt werden. Außerdem sollten die spezifischen Herangehensweisen von Frauen und Männern an die Themen Energiesparen und Klimaschutz berücksichtigt werden, ohne die Frauen auf ihre traditionelle Rolle zu reduzieren.
Ein gestaffeltes Angebot …
Wer Menschen erreichen will, muss auf ihre Interessen eingehen und sie da abholen, wo sie sich informieren und aufhalten. KliMig löste die Herausforderung auf mehrfach abgestimmte Weise: mit Medienarbeit, einer eigenen Webseite, mit Informationsmaterialien und Veranstaltungen, mit Weiterbildungsseminaren und Energiechecks vor Ort. Inhaltlich drehte sich alles um Essen, Wohnen und Fortbewegung.
… aus Pressearbeit
Zunächst erhielten angesehene muttersprachliche Medien mit Sitz in Deutschland Artikelvorlagen mit Tipps zum Klimaschutz. Da die jeweiligen Zeitungen unterschiedliche soziale Gruppen ansprechen, wurde so die Meinungsbildung für ein breites Spektrum der türkisch- sowie russischsprachigen Bevölkerung angepeilt. Erschienen sind über zwanzig Artikel zu Themen wie klimaverträgliches Reisen, Wärmedämmung oder Plastik im Meer.
… aus Veranstaltungen
Ab dem Jahresbeginn 2013 startete in türkischen und russischen Kultureinrichtungen und Vereinen, religiösen Gemeinden sowie Moscheen eine Reihe von etwa 50 Informationsveranstaltungen. Dabei ging es ganz praktisch um Handlungswissen: um Vermeidung von Stand-By-Betrieb, um die Nutzung des öffentlichem Nahverkehrs oder um den klimafreundlichen Einkauf von saisonalem Obst und Gemüse. Die Informationsveranstaltungen fanden im Anschluss an regelmäßige Veranstaltungen statt, etwa nach dem Freitagsgebet in der Moschee oder einem Frauentreffen. Dort erhielten die Teilnehmenden neben den speziell für sie erstellten Informationsbroschüren auch eine schaltbare Steckdose mit einem zweisprachigen Aufkleber „Schalt mich aus.“ Für Frauen mit geringen Deutschkenntnissen und überwiegend einfacher Formalbildung entwickelte KliMig zusammen mit der Volkshochschule Lüneburg darüber hinaus spezielle Klimagespräche.
„Wir wollten zeigen, dass beim Klimaschutz schon mit einfachen Maßnahmen viel erreicht werden kann, wenn alle mitmachen.“ Webseite KliMig
… aus Seminaren
Aufbauend auf den so geknüpften Kontakten erkärten sich 247 Personen bereit, Mund-zu-Mund-Propaganda für den Klimaschutz im eigenen Umfeld zu betreiben. Mit zusätzlichen Seminaren machte KliMig sie fit für diese Multiplikatoren-Rolle. Zur Unterstützung erhielten sie dazu eine Energiesparkiste mit Schulungs- und Demonstrationsmaterialien wie Hygrometer und Lichtleiste, die bei den jeweiligen Organisationen verblieb.
… aus Zusammenarbeit mit Organisationen
Ein weiterer Projektbaustein waren Energie-Checks in vier jüdischen Gemeinden, einem deutsch-russischen Kulturzentrum und sechs islamischen Vereinen. Begleitend dazu erschien für sie eine Broschüre in deutscher, türkischer und russischer Sprache. Damit erwarben die beteiligten Organisationen ganz direkt praktisches Expertenwissen und konnten eine wichtige Rolle bei der Wissensvermittlung übernehmen. Neben den Empfehlungen und der Broschüre wurden den Organisationen Einsparhilfen im Wert von 100 Euro übergeben. Diese konnten von den Organisationen aus einer Liste (zum Beispiel schaltbare Steckdosenleisten, Energiespar- und LED-Lampen, Wassersparköpfe) ausgewählt werden.
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Was sollte das Projekt erreichen?
- Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund sollten für die Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Klimaschutzes sensibilisiert und Orientierungs- und Handlungswissen vermittelt werden;
- das Problembewusstsein für den Klimawandel sollte in Organisationen, die sich an Menschen mit Migrationshintergrund richten, geschärft werden;
- Impulse zur Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren aus Migranten- sowie aus Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sollten gesetzt werden.
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Was hat das Projekt erreicht?
- 540 Personen besuchten die 28 Informationsveranstaltungen zum Thema „Klimaschutz im Alltag“;
- 436 Personen nahmen an den 23 Informationsveranstaltungen zu den Themen Ernährung, Sanieren und Bauen, Mobilität teil;
- 247 Personen besuchten die 18 Veranstaltungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und waren bereit das Thema Klimaschutz in ihr Umfeld hineinzutragen. Ihnen wurden 20 Energiesparkisten für Demonstrationszwecke zur Verfügung gestellt;
- in vier jüdischen Gemeinden, einem deutsch-russischen Kulturzentrum und sechs islamischen Vereinen wurden Energie-Checks durchgeführt;
- die Informationsbroschüren wurden in deutscher, türkischer und russischer Sprache veröffentlicht.
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Wie ging es weiter?
Die Informationen zum Projekt KliMig sind nach wie vor auf der Webseite www.klimig.de abrufbar.
Beitrag zum Klimaschutz
Das Projekt KliMig leistete einen wichtigen Beitrag zu einer ersten Sensibilisieung und Bewusstseinsbildung bei der türkisch- und russischsprachigen Bevölkerung. In verschiedenen muttersprachlichen Medien mit einer monatlichen Auflage von bis zu 160.000 Exemplaren, beziehungsweise in Tageszeitungen mit einer Auflage bis zu 25.000 Stück wurde das Thema auf die Agenda gesetzt. Die Seminare mit ihren Verhaltenstipps motivierten darüber hinaus zur tatsächlichen Umsetzung. Wie viele Tonnen CO2 dadurch reduziert werden, lässt sich nicht genau beziffern. Aber in ausführlichen Befragungen im Anschluss an die Veranstaltungen erklärte die Mehrheit der teilnehmenden Personen, empfohlene Energiesparmaßnahmen umsetzen zu wollen.
Tipps und Tricks für interessierte Institutionen
Obwohl ECOLOG und ZfTI Zugang zu zwei bestimmten Migrantengruppen hatten, lassen sich Empfehlungen ableiten, die auch auf weitere Bevölkerungsschichten mit Migrationshintergrund anwendbar sind.
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Checkliste der Erfolgsfaktoren
- Den handfesten Nutzen des Vorhabens zweisprachig kommunizieren;
- Informationsvermittlung an den gewohnten Alltag und bestehende Veranstaltungen andocken;
- persönliche Ansprache nutzen und intensive Kontaktpflege betreiben, auch mit der Presse;
- kleine Zeichen der Unterstützung und Anerkennung setzen;
- eine bessere Vernetzung zwischen Umweltschutzorganisationen und solchen, die sich an Menschen mit Migrationshintergrund richten, erreichen.
Den handfesten Nutzen zweisprachig kommunizieren
Ein Erfolgsrezept des Projektes war es, grundsätzlich in zwei Sprachen zu kommunizieren. Für Personen die wenig Deutsch konnten fiel dadurch eine wichtige Hürde weg. Wer beide Sprachen gut konnte, fühlte sich dagegen doppelt abgeholt.
Inhaltlich sollten die Informationsmaterialen den konkreten Nutzen von Energieeinsparmaßnahmen in den Vordergrund stellen. Dazu zählt in erster Linie der finanzielle Vorteil bei vermindertem Gebrauch von Strom, Heizung und Wasser. Als besonders interessant wurden aber auch die Themen Gesundheit und klimafreundliche Ernährung sowie die Vermeidung von Schimmel durch richtige Lüftung eingeschätzt. Gegebenenfalls kann auch auf spezifische religiöse oder ethische Grundsätze wie etwa das Verschwendungsverbot Bezug genommen werden.
Persönliche Ansprache und intensive Kontaktpflege, auch mit der Presse
Wichtige Schritte sind das persönliche Gespräch mit den beteiligten Organisationen und in der Folge eine kontinuierliche Kontaktpflege.
Sobald sich der Nutzen einer Veranstaltung einmal zeigte, war die Nachfrage groß. Nach anfänglicher Skepsis der Verantwortlichen stellte sich Vertrauen in den Sinn des Vorhabens ein. Folgetermine zur Vertiefung eines Themas konnten dann sehr viel leichter vereinbart werden. Um unterschiedliche Publikumssegmente zu erreichen, empfiehlt es sich außerdem, wie im Projekt angewandt, regelmäßig Presseinformationen und Artikel in russisch- und türkischsprachigen Zeitungen und Zeitschriften zu platzieren. Auch hier ist die beharrliche Kontaktpflege der Schlüssel zum Erfolg.
Informationsvermittlung an den gewohnten Alltag andocken
(Inter-)Kulturelle (Stadtteil-)Einrichtungen, Frauen-Cafés, Nachbarschaftstreffen und ähnliche Zusammenkünfte gemeinsamer Geselligkeit eignen sich besonders gut zum Einstieg in die Klimaschutzkommunikation. Die neue Information wird so in ein vertrautes Umfeld eingebettet. Wichtig ist es dabei, auf die Führungspersönlichkeiten der entsprechenden Institutionen zu setzen und sie mit dem Thema vertraut zu machen.
Kleine Zeichen der Anerkennung setzen
Das Angebot einer kleinen Aufwandsentschädigung an die beteiligten Vereine oder kulturellen beziehungsweise religiösen Einrichtungen kann sich als Eisbrecher erweisen. Im Projekt KliMig war dies häufig der Einstiegsanreiz, der die Durchführung einer Informationsveranstaltung ermöglichte. Ein anderer erfolgreicher Zugangsweg war es, in den ausgewählten Organisationen einen Energiesparcheck durchzuführen. Motivierend wirkt es hier, wenn zusätzlich praktische Einsparhilfen, wie zum Beispiel schaltbare Steckdosenleisten, Wassersparköpfe oder LED-Lampen, ausgegeben werden.