Verbundprojekt: Klimaverträglich mobil 60+ - Vorhaben zur Minderung des mobilitätsbedingten Ausstoßes von Treibhausgasen von Senioren
Vorhaben zur Minderung des mobilitätsbedingten Ausstoßes von Treibhausgasen von Senioren
Projektnehmer
Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD)
Projektlaufzeit
01.07.2012 bis
31.08.2015
Projektkontakt
Fördersumme
1.389.223 Euro
Förderkennzeichen
03KSF011A/B/C
Förderprogramm
Von Sessel-Dreirädern und Pedelecs
Für viele ältere Menschen spielt das eigene Auto eine zentrale Rolle. Der PKW sichert ihnen Lebensqualität, sie bleiben mobil und unabhängig. Besonders klimafreundlich ist er allerdings nicht. Gleichzeitig wächst die Gruppe der über Sechzigjährigen immer stärker an. Der CO2-Fußabdruck der Seniorinnen und Senioren wird in Zukunft entsprechend deutlich steigen.
Auf einen Blick
Das Projekt Klimaverträglich mobil 60+ setzte sich deshalb zum Ziel, die mobilitätsbedingten Treibhausgase älterer Menschen signifikant zu mindern. Dazu hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) e.V. zusammen mit dem Deutschen Mieterbund e.V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) eine umfassende Kommunikationsstrategie entwickelt, um Fortbewegungsarten jenseits des Autos bei Seniorinnen und Senioren bekannt und populär zu machen.
Flächendeckend in ganz Deutschland
Das Projekt nutzte zwei sich ergänzende Herangehensweisen. Dazu zählte einerseits eine breit gestaffelte Aufklärungsarbeit über mehrere Kommunikationskanäle hinweg. Andererseits sollten möglichst viele Seniorinnen und Senioren ganz praktisch andere und neue Formen der Fortbewegung kennenlernen. Deshalb machten sich nicht nur die Projektteams der drei Projektpartner unter Leitung des VCD an ihren jeweiligen Standorten an die Arbeit, sondern auch acht sogenannte Regionalkoordinatorinnen und Regionalkoordinatoren des VCD in verschiedenen Bundesländern.
Vier Projektbausteine und viele Partnerinnen und Partner
Inhaltlich konzentrierte sich das Projekt auf die unterschiedlichen Alltagsanforderungen der Schwerpunkte Wohnen, Einkaufen/Freizeit, Reisen und Versorgt werden/Versorgen in Verbindung mit dem Thema Mobilität. Jeder dieser Bausteine ist mit spezifischen Mobilitätsanforderungen verbunden und für jeden Baustein wurden geeignete Partnerinnen und Partner in das Projekt eingebunden. Das ergab eine außerordentliche Breite an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Wohnungsunternehmen, Beratungsfirmen, Altenbeiräten, der Diakonie, Pflegedienstleistungsunternehmen, der Tourismusbranche, dem Einzelhandel sowie städtischen Vereinen, Messeveranstaltern und vielen mehr. Mit ihrer Unterstützung organisierten der VCD, die BAGSO und der Deutsche Mieterbund eine Vielzahl von Aktionen, Workshops, Info-Veranstaltungen, Messepräsenzen und persönlichen Beratungsgesprächen. Gleichzeitig erhielten beteiligte Dienstleisterinnen und Dienstleister dadurch selbst entscheidende neue Wissensimpulse zum Thema klimafreundliche Mobilität. Im Rahmen des vierten Nationalen Radverkehrskongresses 2015 in Potsdam wurde auch die politische Ebene in das Projekt einbezogen.
Der Spaß mit Pedelecs und Co.
Insgesamt hat das Projekt mehr als 40.000 ältere Menschen direkt angesprochen. Dabei kristallisierten sich einige Alternativen zum Auto als besonders innovativ und beliebt heraus. Auf Straßenfesten konnten Seniorinnen und Senioren die Vorzüge moderner Sessel-Dreiräder erproben, häufig mit Elektroantrieb ausgestattet. Diese sind nicht breiter als ein Kinderanhänger und bieten der Fahrerin oder dem Fahrer Komfort und Stabilität. Wer noch sehr rüstig ist, fand dagegen eher Gefallen an einer der E-Velo-Touren mit dem Pedelec. Der Elektroantrieb der hochgerüsteten Fahrräder wirkt wie ein Muskelkraftverstärker und lässt jede Fahrt zum Vergnügen werden. Eingefleischten Autofans bot das Projekt Klimaverträglich mobil 60+ eine maßgeschneiderte Kaufberatung für einigermaßen klimafreundliche PKW. Als Alternative gab es außerdem Kurse für die Fahrt mit dem öffentlichen Personennahverkehr, die den Umgang mit modernen Fahrkartenautomaten und Tarifen praktisch erklärten.
Ein Online-Portal mit Datenbank
Über das Online-Portal und Informationsmaterialien wurden acht Millionen Menschen mit Informationen, Hinweisen und praktischen Tipps versorgt. Der VCD führt das Internetportal auch nach Projektende mit Eigenmitteln weiter.
Die Wohnungswirtschaft interessiert sich für die Standortentwicklung
Interessante Ansatzpunkte für Wohnungsbaugesellschaften und Hausverwaltungen sind auf die Mobilitätsbedürfnisse älterer Mieterinnen und Mieter zugeschnittene Angebote, beispielsweise in Kooperation mit den Verkehrsbetrieben oder der Kommunalverwaltung. Dabei sollte der Eindruck vermieden werden, es handele sich ausschließlich um ein Projekt zur Schaffung von Barrierefreiheit. Die größeren Regionalverbände der Wohnungswirtschaft wünschten sich einen umfassenden Leitfaden zur Förderung klimaverträglicher Mobilität am Wohnstandort. Dieser sollte auf belastbaren, durch Befragungen von Mieterinnen und Mietern erhobenen Daten beruhen sowie Sammlung von guten Beispielen und Kosten-Nutzen-Rechnungsbeispielen für Fahrrad-Abstellanlagen beinhalten.
Mobilitätsdienstleisterinnen und ‑dienstleister sehen in der Generation 60+ eine wichtige Zielgruppe
Im Projektbaustein Einkaufen/Freizeit zeigten sich Mobilitätsdienstleisterinnen und -dienstleister wie Verkehrsbetriebe, Carsharing-Unternehmen sowie E‑Bike- und Fahrradhersteller an einer Kooperation rundum das Thema Mobilität im Alter interessiert. Eine Herausforderung war es hingegen, Betreiberinnen und Betreiber von Einkaufszentren, Shoppingmalls beziehungsweise großen Supermärkte für Aktionen zu gewinnen. Die Aktion „Nimm Platz“ zur Förderung des Fußverkehrs ist in diesem Bereich ein gelungenes Beispiel. In Kooperation mit Einzelhändlerinnen und -händlern und der Stadtverwaltung wurden an einem Aktionstag in Homburg Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum für ältere Menschen geschaffen.
Die Altenhilfe hat andere Sorgen
Als unerwartet schwierig stellte sich dagegen im Projektbaustein Versorgt werden/Versorgen der Kontakt zu Entscheiderinnen und Entscheidern bei Organisationen und Unternehmen der mobilen Altenhilfe heraus.
Sie ließen sich kaum davon überzeugen, Maßnahmen zur Optimierung zu ergreifen, beispielsweise in ihrer betrieblichen Mobilität. Dies hat vielfältige Ursachen, angefangen bei hohem Zeit- und Kostendruck der Branche bis hin zu fehlenden finanziellen Mitteln für eine Erneuerung des veralteten Fuhrparks.
Klimafreundliche Mobilität ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor im Tourismus
In diesem Projektbaustein zeigte sich, dass selbst für Anbieterinnen und Anbieter von nachhaltigen Reisen und Beherbungsbetriebe mit ökologischer Ausrichtung das Thema klimafreundliche An- und Abreise nicht im Fokus stand. Tourismusunternehmen wurden auf Informationsveranstaltungen und mit Hilfe von Informationsmaterialien über die Möglichkeiten klimafreundlicher Mobilität informiert. Fazit war, dass unter Einbindung von Kommunen und der Verkehrsbetriebe geeignete Rahmenbedingungen für klima-freundlichen Tourismus im Alter geschaffen werden können.
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Was sollte das Projekt erreichen?
- Bewusstseinswandel bei Seniorinnen und Senioren mit Blick auf die Wahl klimaverträglicher Mobilitätsformen durch Information und Beratung;
- Anreizsetzung zur Veränderung des Nutzungsverhaltens durch persönliche Mobilitätsberatung.
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Was hat das Projekt erreicht?
- Information und zum Teil persönliche Beratung 40.000 älterer Menschen durch Aktionen, Messen und Info-Veranstaltungen;
- Information und Beratung von Dienstleisterinnen und Dienstleistern wie Wohnungsbau-, Pflege- und Tourismusunternehmen auf Workshops, in Schulungen und durch Aktionen;
- Erstellung und Bereitstellung von Informationsmaterialien für die Bereiche Wohnen, Einkaufen/Freizeit, Versorgt werden/Versorgen.
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Wie ging es weiter?
- Die Webseite ist auch nach Projektende aktiv und wird vom VCD weiter gepflegt;
- das Thema Mobilität im Alter wird vom VCD-Bundesverband und von den Landes-, Kreis- und Ortsverbänden im Rahmen von Aktionen, Veranstaltungen und eigenen Projekten weiterverfolgt.
Beitrag zum Klimaschutz
Rechnerisch belief sich die Gesamtreduzierung der Treibhausgasemissionen im Projektzeitraum auf mindestens 82.000 Tonnen. Dabei wurde auf Grundlage der direkten Überzeugung der Verbraucherinnen und Verbraucher eine Einsparung von circa 2.720 Tonnen erzielt und durch Kommunikation in Online- und Printmedien eine Einsparung von circa 79.078 Tonnen. Ebenso wichtig war es, dass durch die Projektaktivitäten sowohl bei Seniorinnen und Senioren als auch bei den beteiligten Akteurinnen, Akteuren, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eine entscheidende Sensibilisierung stattfinden konnte.
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Checkliste der Erfolgsfaktoren
- Direkte, persönliche und mehrfache Kontaktaufnahme mit der Zielgruppe;
- Kombinieren von Information und (erlebnisorientierter) praktischer Anwendung;
- nach Möglichkeit Einbindung aller im Themenfeld relevanter Akteurinnen und Akteure.
Tipps und Tricks für interessierte Institutionen
Der Projektansatz bietet auch weiteren Institutionen unterschiedliche Möglichkeiten, das Thema klimafreundliche Mobilität für ältere Menschen voranzubringen. Je nach Institution kann es sich dabei um Hilfestellungen für die direkte Arbeit mit Seniorinnen und Senioren oder um die Weitergabe der wichtigsten Informationen an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren handeln.
Informieren, Sensibilisieren, Aktivieren
Individuelles Verhalten zu beeinflussen ist immer eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies gilt in besonderem Maße bei Menschen im fortgeschrittenen Alter. Bewährt hat sich hier die mehrstufige Methode Informieren, Sensibilisieren, Aktivieren. Zunächst erfolgt eine direkte, unmittelbare Kontakaufnahme und die Bereitstellung allgemeiner Informationen und Tipps. Im zweiten Schritt wird die praktische Anwendung des Vermittelten empfohlen. Dies kann über spezifische Leitfäden und Checklisten erfolgen oder idealerweise erlebnisbetont wie etwa bei einer Pedelec-Tour.
Lebensnahe Themen laufen besser
Das Thema klimaverträgliche Mobilität im Alter ist gut geeignet für mediale Kommunikation. Allerdings sollte dabei gezielt und regelmäßig auf die Generation 60+ eingegangen werden – mit Themen, die eng mit der Lebenswirklichkeit Älterer verknüpft sind. Die relevanten Schwerpunktsetzungen, beispielweise zum Thema Autokauf oder Umzug, lassen sich auch gut mit Checklisten für die jeweilige Lebenssituation verknüpfen.
Kommunikation mit Fingerspitzengefühl
In allen Informationsmaterialien sollte der Ausdruck Seniorin oder Senior vermieden werden. Gerade jüngere Ältere verbinden mit diesen Begriffen hochbetagte Menschen. Erst bei der Altersgruppe 80+ wird Seniorin oder Senior dann auch tatsächlich zunehmend als Selbstbezeichnung verwendet. Auch möchte die Zielgruppe 60+ nicht exklusiv als eigene Altersgruppe angesprochen werden. Empfehlenswert sind deshalb Formulierungen wie „in jedem Alter“, „im besten Alter“ oder „(nicht nur) für Ältere“ beziehungsweise „auch für Ältere“ oder „gerade für Ältere“.